Lässiges Schweben

Der südafdrikanische Künstler Moshekwa Langa findet die Leichtigkeit der Migration

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Dem Mammutthema Mobilität, Migration und Megapolis kann man sich, bei aller kritischen Bewusstseinslage, auch mit einer feinen Portion Ironie annähern. Moshekwa Langa beweist diese Fähigkeit in einer der seltenen Solo-Ausstellungen der meist thematisch operierenden ifa Galerie.

In seiner Videoarbeit »Where Do I Begin« lenkt Langa den Blick auf Füße, die dem Erdboden verhaftet scheinen, die dann näher trippeln und schließlich, mit einem Schritt auf die Plattform eines Fahrzeugs, an der oberen Kante des Bildes verschwinden. Mal führen sie diesen Schritt geschwind aus, mal zögerlich. Mal glaubt man, die Schwere des Körpers, der mitbugsiert werden muss, zu spüren. Immer aber schwebt der zweite Fuß, der vom Körper nachgezogen wird, für einen Moment in der Luft. Er verharrt zwischen dem Boden, von dem er sich gerade gelöst hat, und den Balken, auf denen er gleich Platz finden wird. Und dieser Schwebezustand beschreibt ganz schön den Zustand, in dem sich diejenigen befinden, die von ihrer Heimat aufbrechen ins Ungewisse und an ihrem Endpunkt doch immer nur provisorisch angekommen sein werden; eher noch werden ihre Kinder, wenn sie welche bekommen, den neuen Ort, den für sie dann alten Ort, Heimat nennen können.

Langa, geboren und aufgewachsen in einem der Townships, mit deren Anlage das Apartheid-Regime in seiner letzten Phase noch seine Herrschaft zu sichern versuchte, widmet seine Ausstellung dem »Nachdenken über die Menschen, die scharenweise in die Metropolen streben auf der Suche nach dem dort verborgenen ›Gold‹, das aber eine Fata Morgana ist«. So benennt er seine Absicht im Katalog. »Where Do I Begin« scheint dabei den Anfang zu markieren. Großflächige Collagen, meist aus Plastikbahnen, dann beklebt mit bunten Plastikstreifen und mit einem Netz grober, flüchtig hingeworfener Nähte versehen, wirken wie die Landkarten dieses Aufbruchs. Sie mögen Ziele benennen. Sie bilden aber zugleich den wilden Besiedelungsprozess ab.

»Gesang der Sirenen« schließlich nennt er die große, den ganzen Raum beherrschende Installation. In Stapel von Autoreifen sind hier lange Stangen gesteckt. An deren Ende befinden sich Hüte. Es sind schwankende Gestalten; schief stecken sie in den Autoreifen. Manchmal sind sie noch mit billigem Glamour versehen, mit Gürteln und Krawatten. Auf dem Boden liegen Bälle; gold und silbern angemalt, sind sie nur noch müde Zeugen möglicherweise ekstatischer Feste. Jetzt bilden sie eine melancholische Hinterlassenschaft, die allerdings, auch dies darf man glauben, zur rechten Zeit wieder in einen anderen energetischen Zustand übergehen kann.

Moshekwa Langa, der jetzt in Johannesburg, der »Stadt des Goldes« und der glitzernden Feste, lebt, begann als Autodidakt. Unberührt von westlicher Konzeptkunst begann er, Wegwerfmaterialien zu Erzähltableaus zu arrangieren. Selbstbewusst stellte er sich Künstler-Galeristen in Johannesburg vor. Und die verschafften seinen Arbeiten Zugang zum Kunstmarkt. Der war erst ein Markt der »anderen Kunst«, gebildet auch von Orten wie der Ifa Galerie oder dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Mittlerweile eilt Langa von Biennale zu Biennale, ist einer der gefragtesten Künstler Südafrikas. In seinem Denken und Arbeiten ist er kontextbewusst geblieben, hat an Souveränität womöglich noch gewonnen und Humor nicht verloren. Eine gute Kombination von Elementen.

Bis 21. September, ifa Galerie, Linienstraße 139/40, Mitte, Di-So 14-18 Uhr.

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