Internationale Presse

Aufstand in Ferguson

  • Lesedauer: 3 Min.

Le Monde, Frankreich
Grenze der Hautfarbe

Die Affäre Michael Brown zeigt, wie lang der Weg noch ist, um diese »Grenze der Hautfarbe« zu überwinden, die Amerika immer noch spaltet. Dies hat auch US-Präsident Barack Obama eingestanden. Die Polizei hat er zur Zurückhaltung aufgefordert und die Demonstranten zur Ruhe. Dabei sagte er, dass junge Schwarze mehr Chancen hätten, im Gefängnis oder vor Gericht zu landen, als eine Universität zu besuchen und einen guten Beruf zu bekommen. Mit Rücksicht auf Konservative und auf ethnische Gruppen lehnt es der Präsident ab, die Situation zu dramatisieren oder sich in der Frage der Gleichberechtigung zwischen Schwarzen und Weißen zu engagieren. Doch diese rationale politische Entscheidung ist den Jugendlichen in Ferguson kaum zu vermitteln, ebenso wenig wie den fortschrittlichen Amerikanern.

Guardian, Großbritannien
Noch nicht verheilte Wunde

Krawalle und Proteste lassen sich mit allgemeinen Erklärungen immer besser definieren als mit konkreten Gründen. Vielleicht kann man über die Ereignisse in Ferguson nur drei Dinge mit wirklicher Bestimmtheit sagen: Die Unruhen sind noch nicht vorbei; sie werden aber irgendwann enden; die Proteste werden zu Recht selbstkritische Fragen aufwerfen, denn trotz aller Fortschritte bleibt die Benachteiligung von Schwarzen auch heute noch in Amerika eine große, noch nicht verheilte Wunde.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz
Perspektivlosigkeit

Das Ausmaß der Proteste verrät ein grundlegendes Malaise im gesellschaftlichen Gefüge. Es überrascht dabei auf den ersten Blick, dass der Funken gerade in Ferguson gesprungen ist. Die Gemeinde zählt nicht zu den ärmsten der Region, und viele schwarze Familien gehören dem Mittelstand an. Aber dies kann nicht verdecken, dass Teile der Unterschicht unter wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit leiden und in den vergangenen Krisenjahren zusätzlich unter Druck kamen. Damit der Funke von Ferguson nicht auf weitere Orte übergreift, braucht es daher weit mehr als nur eine Militäraktion - vor allem eine Politik, die den schwarzen Unterschichten das Gefühl gibt, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein.

NRC Handelsblad, Niederlande
Tiefe Vertrauenskrise

In der amerikanischen Gesellschaft sind Rassentrennung, Diskriminierung und Rassismus auch in all den Jahren seit Abschaffung der Sklaverei 1865 immer vorhanden gewesen. Die Wahl eines schwarzen Amerikaners zum Präsidenten hat daran nichts geändert. Höchstens ist »Rasse« als gesellschaftliches Thema dadurch noch weiter politisiert worden. Die tiefe Vertrauenskrise wird in Ferguson nun schlaglichtartig vor Augen geführt. Das schwarze Amerika sieht Dinge anders als das weiße Amerika.

Politiken, Dänemark
Sicher kein Vorbild

Gepanzerte Kampffahrzeuge, Polizisten in Camouflageuniform und Festnahmen auch von Presseleuten - das sind Dinge, die man in der Regel aus Kriegsgebieten wie Afghanistan oder dem Irak hört. Aber wenn sie die Reaktion einer Behörde auf einen Volksaufstand in einer amerikanischen Vorstadt sind, stellt sich die Frage, was schiefgelaufen ist. Man kann vieles an den USA bewundern. Aber der Umgang mit Ferguson ist sicher kein Vorbild. Er ist falsch.

Die Presse, Österreich
Militarisierte Gesellschaft

Am meisten frappiert in Ferguson das martialische Auftreten: Die Polizei kam in Besitz von schwerem Kriegsgerät, Relikten der Kriege in Irak und in Afghanistan, und sie scheut nicht davor zurück, damit zum Showdown in der Main Street in der Mitte Amerikas aufzukreuzen. Eine nächtliche Ausgangssperre, Ausrufung des Notstands, Einsatz der Nationalgarde - das erinnert an Zustände wie in Bagdad oder Kabul. Der Krieg gegen den Terror hat auch die Zivilgesellschaft in den USA militarisiert, und die Paranoia stellt sich bei allen Vorsichtsmaßnahmen allmählich als ein Grundübel für das Land heraus - vom Einsatz gegen die eigenen Bürger bis zur grenzenlosen Spionage.

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