Faire Arbeit ist machbar!

Das Weltfest in Berlin thematisiert globale Produktionsverhältnisse und alternative Ansätze

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Weltfest in Berlin steht Jahr für Jahr unter einem thematischen Schwerpunkt: 2014 heißt die verbindende Klammer »Work in Progress - für menschenwürdige Arbeit weltweit«.

Schokolade, Bananen, Kaffee, Baumwolle, Kleidung, Computer - ihnen allen ist gemeinsam, dass sie normalerweise unter Umständen gehandelt, beziehungsweise produziert werden, die den daran Beteiligten in den ärmeren Ländern der Welt kein würdiges Auskommen ermöglichen. Ihnen gemeinsam ist nun aber auch, dass sie am kommenden Samstag beim »Weltfest« in Berlin-Friedrichshain Thema sein werden. Schon zum elften Mal soll dort durch Info-Stände, Kurzvorträge und Konzerte die Welt ein bisschen mehr zusammenwachsen.

Begründet wurde das Fest 2001 vom örtlichen Entwicklungshilfe-Verein SONED (englisch kurz für: südliches Netzwerk für Umwelt und Entwicklung), der seitdem einige Veranstaltungspartner dazugewinnen konnte. Traditionell treten zwischen den Konzerten mehrere Organisationen mit Kurzvorträgen auf und stellen ihre Arbeit vor. Dieses Jahr lautet das Überthema: »Work in Progress - für menschenwürdige Arbeit weltweit«.

Zu einigen der eingangs genannten Themen ist schon relativ viel bekannt. Hingegen macht das Entwicklungshilfenetzwerk INKOTA derzeit zum ersten Mal in seiner Geschichte eine große Kampagne zum Thema Schokolade, wie Kampagnenmitarbeiterin Lina Gross sagt. »Wir konzentrieren uns auf die Lebenssituation von Kleinbauern in Westafrika, die Kakao anbauen und in bitterer Armut leben«, erklärt sie. Die gemeinsam mit ausländischen Organisationen durchgeführte Kampagne »Make Chocolate Fair!« ist derzeit auf europaweiter Tour. Innerhalb von drei Monaten werden 14 Länder angefahren, finanziert größtenteils mit Geld von der EU. »Vor allem in Osteuropa ist das Bewusstsein für den Kakaohandel kaum vorhanden«, sagt Gross. INKOTA will nun mit Öffentlichkeitsarbeit Druck auf die Konzerne machen, die den weltweiten Schokoladenmarkt dominieren. Darunter sind mit Nestlé und Mondelēz (dem die Marke Milka gehört) zwei der größten Nahrungsmittelhersteller der Welt. Zusammen mit Mars, Ferrero, Lindt, Hershey und Storck machen sie zwei Drittel des weltweiten Schokoladenmarktes aus, sagt Lina Gross. INKOTA wird auf dem Weltfest auch über seine bereits etablierte »Kampagne für saubere Kleidung« sprechen, aber der Schwerpunkt seines Standes wird das Thema Schokolade sein.

Auf der Bühne wird auch wieder jemand aus einem der betroffenen Länder zu Wort kommen. Dieses Mal ist es der 1991 in Burkina Faso geborene und dann dort aufgewachsene Charlie Ilboudo, der in Köln im fünften Semester Wirtschaftsrecht studiert und sich anschließend in seinem Heimatland sozial und politisch engagieren will, wie SONED mitteilt. Er wird über die Arbeitsbedingungen in der Baumwollindustrie in Burkina Faso berichten.

Etwas aus der Reihe mag der Verein ProNATs fallen, der sich, anstatt Kinderarbeit nur zu verdammen, diesbezüglich für eine differenzierte Betrachtung einsetzt. Er wird eine Grußbotschaft von Kinder- und Jugendorganisationen aus Bolivien verlesen. Dort hat das Parlament in diesem Jahr erstmals ein Gesetz beschlossen, das den Interessen arbeitender Kinder Rechnung trägt.

Mitorganisiert wird das Weltfest zum einen von VENRO, dem Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Deutschland. Zum anderen gibt es nun zwei neue Partner: die beiden Vereine Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER) und Berlin Global Village. Letzterer ist aus einer Initiative des BER hervorgegangen und hat seiner Selbstdarstellung zufolge in den vergangenen Jahren in enger Kooperation mit den Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Stadtentwicklung die Grundlagen für die Errichtung eines EineWelt-Zentrums in Berlin erarbeitet. Auf der Stralauer Halbinsel sollen auf dem Gelände der ehemaligen Glasbläserfabrik auf 3850 Quadratmetern »Seminar- und Veranstaltungsflächen sowie Büroräume für gemeinnützige entwicklungspolitische und migrantische Organisationen, Co-Sharing-Arbeitsplätze für ehrenamtlich tätige Vereine, eine entwicklungspolitische Mediathek, ein bio-regional-faires Café und ein Ausstellungsort« entstehen.

Die dauerhafte Arbeit beim 1990 gegründeten Verein SONED besteht darin, ökologische Projekte in Afrika zu beraten und finanziell zu unterstützen. »Die Förderanträge für unser Permakultur-Bildungsprojekt in Ghana sind jetzt durch«, sagt Projektkoordinator und Gründungsmitglied Jan Fischer zum neuesten Erfolg. Während die Kooperation mit dem Umweltbildungszentrum »Permaculture Forest Garden« im nigerianischen Bundesstaat Lagos, das von SONED Jahre lang beraten wurde, wegen Problemen mit dem lokalen Partner auf Eis liege, gebe es etwas Positives aus Kamerun zu vermelden: »Wir bereiten mit der Organisation ›Better World Cameroon‹ ein Bildungsprogramm vor, bei dem es um die Umwelt, angepasste Technologien und Öffentlichkeitsarbeit geht.« Mit angepassten Technologien meint Fischer beispielsweise ökologisches Bauen mit lokalen Ressourcen: »Lehmputz und Holz statt Zement, Stein und Wellblech, was da als modern gilt.« Eigentlich traditionelle Lösungen seien einem Teil der Menschen nicht mehr bekannt. Fischer sieht das Problem allgemeiner: »Es geht um eine Wieder-Inwertsetzung traditioneller Mittel. Die Menschen, mit denen wir in unseren Projekten in verschiedenen Ländern zu tun haben, leben unter einem Modernitätsdruck. Der Konsumismus der westlichen Werbewelt zieht in den Alltag ein.«

Schon 2013 widmete sich das Weltfest dem übertriebenen Ressourcenverbrauch bei gleichzeitigem Überfluss im globalen Norden und verbreitete die Botschaft, dass da vom Süden gelernt werden könne. Wie in den Vorjahren werden sich an den Infoständen viele Initiativen und Organisationen vorstellen und von ihren Erfahrungen mit Partnerprojekten auf anderen Kontinenten berichten. Ebenfalls wieder gesetzt ist das vielfältige ganztägige Musikprogramm. Auch ein Platz für Straßenmusik und Clownerie sowie ein Kindermusical und ein Zirkusmitmachprogramm für Jugendliche und Kinder werden geboten.

Weltfest, Samstag, 30.8. von 14.30 bis 22 Uhr auf dem Boxhagener Platz, Berlin-Friedrichshain

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