Gehen hilft beim Denken

Schweizer Forscher will älteren Menschen mit Bewegungskontrolle helfen

  • Lesedauer: 2 Min.
Um neue Ansätze zur Sturzprävention bei Senioren geht es auf dem im September stattfindenden Kongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie in Halle .

Veränderungen im Gangbild können erste Zeichen für eine Demenz sein, glaubt Reto Werner Kressig, Chefarzt für Geriatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel. Bislang würden sinkende Fitness, Stürze und andere Motorikprobleme schlicht als Zeichen von Gebrechlichkeit gewertet, glaubt er einer Mitteilung der Universität Basel zufolge, an der der Mediziner forscht. Neueste Erkenntnisse aus seinen Untersuchungen zeigten überraschende Zusammenhänge auf. Bei Ganganalysen mit Hilfe eines Teppichs, der über Sensoren kleinste Abweichungen zwischen den Schritten festhält, habe sich herausgestellt: Je stärker die Abweichungen, desto höher das Sturzrisiko des Patienten in den kommenden Monaten. Stieg die Gangvariabilität, wenn die Patienten beim Laufen gleichzeitig kognitive Aufgaben lösen mussten, war zusätzlich die Wahrscheinlichkeit, dass die Person an Demenz erkrankte höher.

»Das Gehirn vollbringt nicht nur intellektuelle Leistungen, sondern steuert auch motorische Prozesse«, so Kressig. »Ich bin daher der Meinung, dass zur Demenzfrüherkennung nicht nur die Hirnleistung gemessen, sondern auch motorische Veränderungen untersucht werden sollten. Ein Blick auf den Gang des Patienten liefert vielleicht sogar früher Hinweise als die üblichen Verfahren. Dadurch lässt sich eine Demenz zwar nicht verhindern, aber ihr Verlauf verlangsamen.«

Um den Verlauf einer Demenz positiv zu beeinflussen setzt der Leiter des Universitären Zentrums für Altersmedizin am Universitätsspital und am Felix-Platter-Spital in Basel besonders auf den Effekt von Bewegung. Insbesondere T’ai Chi, Tanzen und die klavierbegleitete Dalcroze-Rhythmik - auch bekannt als Eurythmie - fördern motorisch-kognitive Fähigkeiten. »Es geht dabei um spontane Reaktionen und gute Körperbeherrschung«, lobt Kressig den positiven Effekt von Eurythmie. Sogar liegende Patienten würden an den Kursen, die in Basel mittlerweile in allen Seniorenheimen angeboten werden, begeistert teilnehmen. »Es ist erstaunlich, wie selbst schwerstkranke Patienten es genießen, sich zur Musik zu bewegen.«

Eine der Studien ergab, dass das Sturzrisiko um 50 Prozent sank, wenn die Patienten sechs Monate lang einmal pro Woche am Kurs teilnahmen. »Wir müssen bei der Therapie umdenken«, ist sich Kressig sicher. »Es geht nicht um die magische Pille, sondern darum, mit spezieller Bewegungskontrolle den Menschen zu helfen.«

Werner Kressig wird die Ergebnisse seiner Untersuchungen auf dem Kongress »Stress und Altern: Chancen und Risiken« vorstellen, der Ende September in Halle stattfindet und von verschiedenen Fachgesellschaften in Österreich, Deutschland und der Schweiz organisiert wird. nd

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