»Engel von Karachi«

Die in Pakistan verehrte Lepra-Ärztin Ruth Pfau wird 85 Jahre alt

  • Sebastian Kunigkeit, Karachi
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert kämpft Ruth Pfau in Pakistan gegen die Lepra. Die Geschichte der Nonne und Ärztin ist abenteuerlich. Ihre Lebensaufgabe fand sie durch einen Zufall.

Eigentlich war Karachi für Ruth Pfau nur eine Durchgangsstation. Hier sollte die junge Ärztin und Nonne auf ihr Visum für Indien warten, doch dann stand sie 1960 dem Elend der Lepra-Kranken in der pakistanischen Hafenstadt gegenüber. »Man wurde nicht behandelt, man endete schließlich verkrüppelt, verstümmelt, entstellt auf den Straßen einer unbarmherzigen Großstadt als Bettler und in diesem unvorstellbaren Lepra-Ghetto«, schrieb sie in einem Buch.

Die Medizinerin blieb also und wurde zu einer Vorreiterin im Kampf gegen die Infektionskrankheit. Sie gilt als »Engel von Karachi« und »Mutter Teresa von Pakistan«, die Regierung des muslimischen Landes ernannte die katholische Nonne 1979 zur Beraterin im Rang einer Staatssekretärin. Noch heute kümmert sie sich um Patienten, kämpft gegen Lepra, Tuberkulose und Blindheit. An diesem Dienstag wird Ruth Pfau 85 Jahre alt.

»Sie ist meine Heldin, es gibt kaum eine größere«, würdigte Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, die Frau mit der abenteuerlichen Biografie. »Sie hat Hunderttausenden Menschen schweres Leid und vielen einen frühen Tod erspart«, sagt Burkard Kömm, Geschäftsführer der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe DAHW. Die Organisation mit Sitz in Würzburg hat Pfaus Arbeit fast von Anfang an finanziell unterstützt.

Ruth Pfau wurde 1929 in Leipzig geboren. Während ihres Medizinstudiums fand sie zum Glauben und trat schließlich den »Töchtern vom Herzen Mariä« bei. »Wäre ich nicht Ordensfrau, wäre es schwieriger gewesen, mit dieser ganzen Frustration umzugehen«, sagt sie. »Deshalb bin ich noch am Leben.«

Die Lepra-Kranken waren bei ihrer Ankunft in Pakistan Ausgestoßene, um die sich niemand kümmerte, die in der offiziellen Statistik gar nicht existierten. In einer Bretterbude im Slum behandelte die junge Ärztin ihre Patienten. Mit finanzieller Hilfe aus Europa baute sie ein Krankenhaus auf, das zur Keimzelle des nationalen Lepra-Programms wurde. Seit 1996 ist die Infektionskrankheit in Pakistan unter Kontrolle.

An Anerkennung für die Arbeit der engagierten Frau mangelt es nicht: Pakistan verlieh Pfau die Ehrenbürgerschaft, in Deutschland erhielt sie unter anderem das Bundesverdienstkreuz und den Fernsehpreis Bambi. Erst vor wenigen Monaten war sie wieder zu Besuch in ihrer Heimat und berichtete beispielsweise beim Philosophie-Festival »Phil.Cologne« von der Freude am Helfen. »In Einfachheit und Natürlichkeit fordert sie die Leute auf, nicht wegzusehen«, betont Burkard Kömm. Das sei wirklich »beeindruckend«.

»Ich habe das gemacht, was nötig war«, sagt die Frau mit dem schlohweißen Haar nüchtern. Ihr Lebenswerk sieht Pfau bei ihrem Team vor Ort in guten Händen, wenn sie irgendwann nicht mehr selbst mitarbeiten könne. Was sie sich zu ihrem 85. wünscht? »So viele Patienten ich habe, so viele Wünsche habe ich.«

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