Verordnung gegen Stress gefordert

DGB will »Merkmale guter Arbeit« festgelegt wissen

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Berlin. Ein Schluck Kaffee anstelle der Mittagspause, tägliche Überstunden und auch nach Feierabend erscheint die Nummer des Chefs im Stundentakt auf dem Handydisplay. Für viele Beschäftigte in Deutschland gehört das zum Arbeitsalltag. Immer flexibler sollen sie werden, immer mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit bewältigen. Besonders jüngere Beschäftigte fühlen sich laut einer Umfrage der gesetzlichen Krankenkasse DAK-Gesundheit häufig gestresst. Mehr als die Hälfte von ihnen klagt über zu starke Arbeitsbelastung und die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie.

Laut EU-Kommission sind die deutschen Beschäftigten zudem Spitzenreiter bei den Überstunden. In keinem anderen Land der Eurozone ist der Unterschied zwischen der tariflich vereinbarten und der tatsächlichen Wochenarbeitszeit so groß. Folge dieser steigenden Belastung sind nicht selten psychische Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert daher eine Anti-Stress-Verordnung. Bereits heute gingen jede zweite Frühverrentung und 40 Prozent der Ausfallzeiten auf seelische Erkrankungen zurück, sagte DGB-Vize Annelie Buntenbach der »Ostsee-Zeitung«. Burnout drohe zur Volkskrankheit zu werden. Bei der geforderten Anti-Stress-Verordnung geht es den Gewerkschaften weniger darum, Grenzwerte festzulegen als darum, »Merkmale guter Arbeit« zu bestimmen. Es müsse zudem branchenspezifische Hinweise geben, wie die Arbeit beispielsweise in Callcentern, Hotels oder am Fließband gestaltet werden könne, »damit sie möglichst Stress vermeidet und die Nerven schont«, forderte Buntenbach.

Auch die Krankenkassen beklagen die zunehmende Belastung der Beschäftigten. Die Vorstandsvorsitzenden der Barmer GEK, der Techniker Krankenkasse (TK) und der Kaufmännischen Krankenkasse KKH geben den Arbeitgebern eine Mitschuld am Anstieg der Burnout-Erkrankungen und forderten die Unternehmensführungen zu einer Stärkung der Gesundheitsvorsorge in den Betrieben auf. »Die Veränderungen in unserer Arbeitswelt zum Beispiel durch den Gebrauch von Smartphones und die damit verbundene ständige Erreichbarkeit führen zu immer mehr Stress«, sagte Barmer-Chef Christoph Straub: »Niemand sollte immer erreichbar sein müssen - hier kann ein Gesetz durch klare Maßstäbe gegen Dauerstress Gesundheit schützen.«

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte sich zuletzt offen für die Einführung einer Anti-Stress-Verordnung gezeigt. Die Sozialdemokratin will zunächst aber die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin abwarten, die im nächsten Jahr vorliegen sollen. Es würden »allgemeingültige und rechtssichere Kriterien« benötigt, wenn man den Betrieben etwas vorschreiben wolle, so Nahles.

Unionspolitiker stehen den Plänen für eine Anti-Stress-Verordnung ablehnend gegenüber. »Ich halte davon nichts«, sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) der »Rheinischen Post«. Man könne beispielsweise nicht verordnen, dass Arbeitnehmer nach 18 Uhr nicht mehr angerufen würden, denn was solle der Handwerksbetrieb anderes machen, wenn am Abend irgendwo eine Leitung platzt. Agenturen/nd

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