»III. Weg« zum vierten Reich

Bayerische Neonazis wollen gegen das Verbot des »Freien Netzes Süd« prozessieren

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Verbot wollen Kader des rechtsextremen »Freien Netz Süd« dagegen klagen. Ihre Aktivitäten führen die bayerischen Neonazis währenddessen in einer Partei »Der III. Weg« fort.

Fast sechs Jahre lang konnte das rechtsextreme »Freie Netz Süd« (FNS) ungestört Hass verbreiteten, bevor die Sicherheitsbehörden einschritten. Erst am 23. Juli dieses Jahres ließ das Innenministerium - nach jahrelangen Forderungen aus der Zivilgesellschaft - das größte bayerische Neonazi-Netzwerk auflösen, weil es die »aggressiv-kämpferischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront an deren Stelle weiter verfolgt« habe. Vorausgegangen war der Maßnahme eine Razzia gegen die Gruppierung im Juni 2013, bei der Beweismittel für das Verbot gesammelt wurden.

Als ein Jahr später die Auswertung der einschlägigen Beweismaterialien schließlich beendet war, vollstreckte das Innenministerium die Verbotsverfügung, kraft derer nicht nur die Organisation aufgelöst, sondern auch das Vermögen der Gruppierung, der rechtsextreme »Final-Resistance-Versand« und die szenennahe Immobilie im oberfränkischen Oberprex beschlagnahmt wurden. Die neonazistische Organisation musste somit neben dem Verlust ihrer Struktur auch den Wegfall ihrer Finanzmittel und ihres Treffpunkts beklagen. Für die Neonazis ist vor allem die als »Nationales Zentrum Hochfranken« bekannt gewordene Immobilie ein erheblicher Verlust, immerhin hat der 2010 von der Mutter eines FNS-Kaders angemietete ehemalige Gasthof in der Szene eine zentrale Rolle als Treffpunkt innegehabt.

Vor diesem Hintergrund kann die Ankündigung einiger FNS-Kader, gegen das Verbot vor Gericht ziehen zu wollen, wenig überraschen. Ende August veröffentlichten Neonazis auf dem rechtsextremen Portal »Altermedia« eine Mitteilung im Namen einer »Klägergruppe«, in der das Verbot als »unrechtsstaatliche Maßnahme« betitelt wurde, die juristisch angefochten werde. Denn »der neueste negative Höhepunkt der stattlichen Verbotsmaschinerie«, heißt es in dem Schreiben, werde von der Szene »nicht unbeantwortet bleiben«. Ziel sei es demnach, sowohl gegen das Verbot als auch gegen die »Beschlagnahmungen und Zwangsenteignungen« vorzugehen. Den Eingang entsprechender Anträge haben die zwei zuständigen Gerichte, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und das Verwaltungsgericht in Bayreuth, gegenüber verschiedenen Medien inzwischen bestätigt. Bis das Verfahren gegen das Vereinsverbot vor dem Verwaltungsgerichtshof beginnt, kann es jedoch noch einige Monate dauern.

Auf Strukturen für ihre Aktionen müssen die Neonazis während dieser Zeit aber nicht verzichten. Entgegen den Behauptungen von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat das Verbot die »Organisationsstrukturen der neonazistischen Szene« nämlich nur bedingt »empfindlich« getroffen. Zwar dürfte die parteifreien extremen Rechten der Verlust ihrer Immobilie und ihres Versands geschmerzt haben, doch der Wegfall der Strukturen hat zum Zeitpunkt des Verbots kaum mehr spürbare Auswirkungen gehabt. Denn schon bald nach der Razzia haben sich Aktivisten des Neonazi-Netzwerks zusehends in der Ende September desselben Jahres gegründeten rechtsextremen Partei »Der III. Weg« neu organisiert. Als das Verbot dann in Kraft trat, existierten in Bayern bereits fünf Stützpunkte, die »weitgehend den bisherigen geografischen Aktionsschwerpunkten des FNS entsprechen«. Zudem überschneiden sich Führungspersonal und Aktivisten in Bayern teils deutlich mit dem des FNS, wie unlängst auch die Sicherheitsbehörden feststellen mussten.

Seitdem richtet »Der III. Weg« auch vermehrt Aktionen im Freistaat aus. So wurden zuletzt in Bayern regelmäßig Flugblätter gegen Flüchtlinge verteilt, rechtsextreme Feiern oder Kundgebungen im Namen der Partei veranstaltet. Erst vor zwei Wochen richteten Neonazis beispielsweise eine Kundgebung unter dem Motto »Stoppt die Repressionswut gegen deutsche Nationalisten« in Deggendorf aus, bei der auch Ex-FNS-Kader zugegen waren. Früher wären solche Aktionen im Namen des FNS oder einer lokalen »Kameradschaft« durchgeführt worden. Heute, nach dem Verbot, bietet eine Partei, die sich in ihrem Programm an das 25-Punkte-Programm der NSDAP anlehnt, eine neue Aktionsplattform.

Egal, wie die Klage gegen das Verbot also ausgehen wird - durch die Zeitspanne von einem Jahr zwischen Razzia und Verbot konnte die Szene längst Ersatzstrukturen etablieren, die sie auch nach dem Verbot ohne Weiteres für rechtsextreme Aktionen in Bayern nutzen können wird.

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