Wirrwarr auf Schalke

Nach der 1:4-Pleite gegen die Gladbacher Borussen gibt es großen Diskussionsbedarf

  • Andreas Morbach, Mönchengladbach
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Duell der nicht gerade freundlich gesinnten Nachbarn Mönchengladbach und Schalke hatten die Gäste nichts zu bestellen.

Die Zigarette danach war Horst Heldt diesmal ein besonders großes Bedürfnis. Eine Minute zuvor hatte der 44-Jährige noch als königsblauer Kreuzritter die grassierende Sprachverwirrung in seinem Laden verbal bekämpft - und nun stand er vor dem Borussia-Park in der Dunkelheit und qualmte. Das passende Sinnbild für den Gemütszustand des Schalker Managers, dem nicht nur das 1:4 in Gladbach, sondern auch zwei Wortmeldungen Gelsenkirchener Profis auf den Magen geschlagen waren.

So geisterte der Satz des zuletzt grippekranken Klaas-Jan Huntelaar durch die Flure. »Wir müssen einen Plan haben, um das zu verbessern«, forderte der Angreifer, der beim Spielstand von 1:3 eingewechselt worden war. Und weil es auf Schalke von solch einem Hinweis bis zur These von der Planlosigkeit des Trainers Jens Keller nur ein gedanklicher Katzensprung ist, musste das platschnasse Kind mal wieder aus dem Brunnen gezerrt werden. Von Horst Heldt.

Eigentlich war zur zweiten Niederlage der Keller-Elf im zweiten Pflichtspiel der Saison auf fremdem Geläuf alles gesagt, als sich der Manager nochmals zum Journalistenpulk gesellte. Er habe sich extra die Tonbandaufnahmen von Huntelaars Grundsatzrede angehört, erwähnte er. Und, so Heldt: »Ich kann nicht erkennen, das Klaas-Jan gegen irgendjemanden schießt. Ich kriege das Gefühl vermittelt, dass Klaas-Jan gesagt haben soll, dass wir keinen Plan gehabt hätten. Und das ist nicht in Ordnung.« Ende dieser Durchsage zur Wortverdrehung in babylonischem Stil.

Dann folgte die nächste. Diesmal ging es um Ersatzbankdrücker Tranquillo Barnetta. Der Schweizer, nach einem Jahr als Leihspieler in Frankfurt mit berechtigten Hoffnungen in die Runde gegangen, auch bei S04 wieder öfter zum Einsatz zu kommen, durfte trotz großer personeller Engpässe im Kader erneut nicht eine Sekunde spielen. Was der frühere Leverkusener davon hielt, war noch während des Spiels im Facebook-Account von »Quillo« - so Barnettas Spitzname - nachzulesen.

»3 Wechsel, kein Quillo! Na dann: hopp Gladbach«, stand da. Nicht er selbst, sondern ein von ihm mit der Pflege der Seite beauftragter Freund habe den Spruch - eine kaum verhohlene Kritik an Kellers taktischen Maßnahmen - in die Welt gesetzt, beteuerte Barnetta. Der Unberücksichtigte musste die Sache via Facebook aufklären - und Horst Heldt ging erst mal eine qualmen.

Hinter seinem Rücken erklärte der Spanier Alvaro Dominguez in dem Moment, wie es zu dem dicken königsblauen Auge gekommen war. »Wir waren wie Brüder, wie eine Familie auf dem Platz«, sagte Gladbachs Innenverteidiger. Das krasse Gegenstück dazu lieferte das inhomogene Schalker Gebilde, das die Warnungen seines Trainers vor Borussias Geschwindigkeitsfußball nicht nur beim 0:1 durch André Hahn (nach Vorarbeit des starken Rückkehrers Max Kruse) und beim 1:3 durch Kruse (nach Zauberpass des überragenden Raffael) in den Wind schlug. »Die taktischen Vorgaben haben wir katastrophal umgesetzt«, urteilte Benedikt Höwedes kurzum, dann ging der Kapitän ins Detail: »Wir haben auf einigen Positionen nicht genug Verantwortung übernommen.« Sprach’s und bilanzierte nach einem Punkt aus den ersten drei Ligapartien: »Das ist ein Fehlstart. Wir liegen stark unter unseren Ansprüchen. Da brauchen wir nichts zu beschönigen.«

Mit seiner Analyse (»Wir tun uns im Moment unheimlich schwer, die vielen Ausfälle zu kompensieren«) allein im Regen stehen blieb dabei Chefcoach Keller. »Es bringt nichts, sich Alibis zu verschaffen. Das ist immer der falsche Weg«, widersprach etwa Manager Heldt. Und Keeper Ralf Fährmann beipflichtete ihm bei: »Natürlich haben wir viele Verletzte, aber das darf keine Ausrede sein. Die Qualität im Kader ist vorhanden.«

Am Sonntag wollten königsblaue Spielerschar und sportliche Führung nach dem allgemeinen Wirrwarr am Niederrhein zur Abwechslung mal nicht übereinander, sondern miteinander reden. »In Ruhe und intern«, wie Horst Heldt präzisierte. Keine schlechte Idee, geht es für die Schalker Fehlstarter am Mittwoch doch auch in der Champions League los - auswärts beim FC Chelsea.

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