Katar winkt Berlin mit Milliardenaufträgen

Beim Besuch von Emir Tamim wurden die angekündigten kritischen Nachfragen wohl Beute der Petrodollars

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Emir von Katar war am Mittwoch in Berlin zu Besuch. Im Gepäck hatte er einige Erklärungen zum Krieg in seiner Region und vor allem Milliardenversprechungen an Investitionen in Deutschland.

Wenn ein Monarch vom Persischen Golf zum Staatsbesuch in Berlin erscheint, sind die Erwartungen hoch, ganz besonders bei den deutschen Wirtschaftsverbänden, und am höchsten, wenn es sich um den Repräsentanten Katars handelt. Das Emirat an der Ostküste Saudi-Arabiens besitzt als Staat auf Grund seiner gewaltigen Erdgas- und -öleinkünfte das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Region und und ist ständig auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten für seine Petrodollars.

Der 34-jährige Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani ist erst seit Juni 2013 auf dem Thron, gilt aber zur großen Erleichterung kapitalhungriger Wirtschaftskapitäne in aller Welt als ähnlich freigiebig wie sein abgedankter Vater - solange es sich nicht um die Löhne für Hunderttausende, unter sklavenähnlichen Bedingungen schuftende Ausländer in seinem Land handelt. Die Ankündigungen aus Doha, der Hauptstadt der erst seit 1971 unabhängigen absoluten Monarchie, versprachen in dieser Hinsicht eine Menge.

»Wir erwarten in der nächsten Zukunft, dass die Investitionssumme Katars in der deutschen Wirtschaft weiter wachsen wird«, sagte Handelsminister Scheich Ahmed bin Jassim bin Mohamed al-Thani denn auch am Mittwoch laut dpa bei einem Wirtschaftsforum in Berlin. Umgekehrt gebe es für deutsche Firmen in Katar große Investitionschancen. Der Handel zwischen beiden Ländern habe 2013 im Vergleich zum Vorjahr um fast 13 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro zugelegt. Die deutschen Exporte nach Katar hätten rund 1,3 Milliarden Euro betragen. Er gehe davon aus, dass es weitere Zuwächse geben werde. Interessante Märkte in Katar seien Eisenbahn, Bau, Kommunikation, Medizintechnik, Energie oder Gesundheitstechnologie. Bei Verbrauchsgütern aller Art, besonders denen der Luxusklasse, sowieso.

Kritik an der nach Katar vergebenen Fußballweltmeisterschaft 2022 und die skandalös hohe Todesrate auf den WM-Baustellen werden da von den Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft als sehr störend empfunden. Das Emirat wirbt gegenwärtig für Großprojekte zu Hause, zum Beispiel dem Bau einer Eisenbahn auf der Halbinsel. Es existiert bereits ein Joint Venture zwischen der Deutschen Bahn und dem katarischen Staatsunternehmen Qatar Railways für ein kombiniertes Bahn/Metro-System. Das Projekt bietet mit seinen luxuriösen Begleitbauten noch für viele andere Unternehmen die Chance auf goldenen Nasen.

Löste die Eintragung des Emirs ins Gästebuch bei Bundespräsident Joachim Gauck im Berliner Schloss Bellevue - Foto rechts - schon Vorfreude aus, so wird es künftig wahre Jubelstürme geben. Die Emire - das hohe Haus der Thanis stellt neben Staats- sowie Regierungschef fast alle Minister - haben durchblicken lassen, bei einigen deutschen Renommierunternehmen wie Deutsche Bank, Hochtief oder Siemens Milliarden parken zu wollen. Scheich Ahmed bin Jassim, der auch Wirtschaftsminister ist, sprach in diesem Zusammenhang von einer »guten, starken Freundschaft« mit Deutschland.

Eigentlich gäbe es da noch ein paar Fragen der Politik zu klären. Genauer gesagt, sind es Vorwürfe an Katar, einer der Hauptsponsoren für die Bürgerkriegsmilizen in Irak und Syrien zu sein, deren brutales Vorgehen derzeit weltweit Entsetzen hervorruft. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen bezeichnete es daher als »unerträglich, dass Berlin dem blutigen Diktator Katars den roten Teppich ausrollt«. Ihre Grünenkollegin Kerstin Andreae forderte die Bundesregierung auf, Menschenrechtsverletzungen auf WM-Baustellen in Katar anzusprechen.

Kritische Anmerkungen gab es sogar aus den Regierungsparteien. Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner sagte dem »Handelsblatt«: »Länder, die finanziell oder politisch den Terrorismus des IS unterstützen, dürfen weder deutsche Waffenlieferungen bekommen, noch sollte es mit solchen Staaten privilegierte Wirtschaftsbeziehungen geben.« Und selbst der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Philipp Mißfelder, verlangte von Katar Aufklärung über dessen Verhältnis zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Katar habe sogar eine »Bringschuld«, etwas zu dem Verdacht zu sagen, dass Teile seiner Elite mit dem IS sympathisierten. Es seit deshalb gut, dass das Treffen des Emirs am Mittwoch mit Kanzlerin Angela Merkel nicht abgesagt wurde.

Das klingt, als sei dies jemals ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Die Worte Merkels gegenüber dem Emir lassen jedenfalls auf keinerlei öffentliche Missbilligung - und allein diese ist politisch relevant - schließen. Im Gegenteil. Zwar fand die Kanzlerin mahnende Worte zugunsten der ausländische Arbeiter in Katar und sagte, Deutschland wünsche sich, dass ein reiches Land wie Katar bessere Arbeitsbedingungen biete. In puncto IS erwies sich Merkel aber als sehr beratungsresistent: Der Emir von Katar habe »glaubwürdig versichert«, dass der Kampf gegen die Extremisten auch im Interesse Katars sei. Sie sehe ihn sogar als Verbündeten im Kampf gegen die Dschihadisten an. Sollte sie das so gesagt haben, dürfte selbst der Emir erstaunt gewesen sein.

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