Drei Tage Trauer für Ermordeten

Muslime in Frankreich demonstrieren gegen islamistischen Terror

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Frankreich weicht nicht vor den Terroristen zurück, versichert Präsident François Hollande auch nach der Ermordung des französischen Bergführers Hervé Gourdel.

Von Freitag bis Sonntag sind in ganz Frankreich die Fahnen auf Halbmast gesetzt, um den am Mittwoch in Algerien durch islamistische Terroristen ermordeten Franzosen Hervé Gourdel zu ehren. Um sich von den Tätern zu distanzieren und vorschnellen Gleichsetzungen vorzubeugen, hat die Vereinigung der Imame Frankreichs die Muslime des Landes für den heutigen Freitag zu Schweigemärschen in Paris und anderen Großstädten aufgerufen. Sie verurteilten die blutige Tat als »barbarisch und dem Geist des Islam völlig widersprechend«.

Der 55-jährige Bergführer Hervé Gourdel aus Nizza war am vergangenen Sonntag bei Tizi Ouzou in der algerischen Kabylei von der islamistischen Terrorgruppe Jund el-Khalifa (Die Soldaten des Kalifat) entführt worden. Sie drohten, ihn innerhalb von 24 Stunden zu töten, wenn Frankreich nicht unverzüglich sowohl seine Luftangriffe gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak und Syrien einstellt als auch seinen Kampf gegen die islamistischen Milizen in Mali. Als Frankreich darauf nicht reagierte, wurde Gourdel geköpft und das Video der Tat ins Internet gestellt.

Vor wenigen Tagen hatte Abu Bakr al-Baghdadi, der selbsternannter »Kalif Ibrahim«, der an der Spitze des IS steht, seine Anhänger in aller Welt aufgerufen, nicht nur Amerikaner und Engländer zu töten, sondern auch »die dreckigen und ungläubigen Franzosen«. Mit ihrer blutigen Tat wollten die Banden der algerischen Islamistenorganisation al-Qaida im islamischen Maghreb, aus dem Jund el-Khalifa hervorgegangen ist, nicht nur ihre Verbundenheit mit dem IS demonstrieren, sondern sich auch in Algerien selbst wieder öffentlich in Szene setzen. Dort sind sie von der Armee in einem opferreichen Kampf innerhalb von mehr als 20 Jahren dezimiert, aber nicht vollständig liquidiert worden.

Präsident François Hollande rief am Donnerstag nach seiner Rückkehr aus New York eine Sitzung des Nationalen Verteidigungsrates ein, um »über den verstärkten Schutz der Franzosen in aller Welt« zu beraten. Er erklärte, dass »unser Landsmann nur deshalb bestialisch ermordet wurde, weil er Franzose war«. Doch das Verbrechen bestärke den französischen Staat in seinem entschlossenen Kampf gegen den islamistischen Terror. »Frankreich weicht nicht vor den Terroristen und dem Terrorismus zurück und wird dies niemals tun«, versicherte der Staatschef. »Das ist nicht nur unsere Pflicht, sondern das rechnen wir uns auch als Ehre an.«

In der Nationalversammlung wurden die Abgeordneten über die am vergangenen Wochenende begonnenen Luftangriffe französischer Flugzeuge gegen Positionen des IS informiert. Premier Manuel Valls erklärte: »Wir sind uns klar darüber, dass die Kämpfe lange dauern können, aber wir werden uns engagieren, bis die irakische Armee vor Ort wieder dominiert und die Situation beherrscht.« Die Milizen des Islamischen Staates seien »eine Schande für den Islam« und eine »Ansammlung von Mördern, für die ein Menschenleben keinerlei Wert hat«.

Der ehemalige rechte Premier François Fillon bekundete für die Oppositionspartei UMP Zustimmung zur Anti-Terror-Politik der Regierung. Die Meinungen über das militärische Engagement gegen den IS indes gehen auseinander. So lehnt der UMP-Abgeordnete und ehemalige Anti-Terror-Untersuchungsrichter Alain Marsaud die französischen Luftangriffe ab, weil sie »Frankreich ins Zielkreuz für Terroranschläge islamistischer Rächer« rücken. Die Linksfront aus Kommunistischer Partei und Partei der Linken begründete ihre Ablehnung der Luftangriffe damit, dass darüber der Präsident selbstherrlich entscheide, während gemäß der Verfassung der 5. Republik das Parlament von diesem Entscheidungsprozess ausgeschlossen bleibt und nur im Nachhinein zu informieren ist. »Das ist ein Grund mehr, diese Republik durch einen neue, sechste abzulösen und eine entsprechende demokratischere Verfassung anzunehmen«, betont Jean-Luc Mélenchon.

Die Regierung versichert, dass im In- und Ausland alles getan wird, um den Terrorismus zu bekämpfen und dass es keine akute Gefahr islamistischer Anschläge auf französischem Boden gibt. Derweil machte jüngst eine blamable Panne Schlagzeilen. Drei polizeibekannte französische Islamisten, die an den Kämpfen des IS teilgenommen hatten, wurden bei ihrer Rückkehr nach Frankreich nicht erkannt und konnten unbehelligt einreisen. Innenministerium und Geheimdienstführung schieben die Schuld für die durch Medienberichten aufgedeckte Panne auf die wenig kooperationsbereiten Behörden der Türkei. Inzwischen wurden die drei Islamisten doch noch verhaftet, um sie über ihre Aktivitäten im Mittleren Osten zu befragen und zu prüfen, ob Anklage gegen sie erhoben wird.

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