Nach dem Streik ist vor dem Streik

Keine Lösung im Bahn-Tarifkonflikt in Sicht / Am Donnerstag legten Piloten die Arbeit nieder

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Während sich der Bahnverkehr im Laufe des Donnerstags allmählich normalisierte, mussten sich Kunden der Lufthansa-Tochter Germanwings ab Donnerstagmittag auf Flugausfälle einstellen.

Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatten von Mittwochnachmittag an für 14 Stunden lang ihre Arbeit niedergelegt. Nach Angaben der Deutschen Bahn fielen im Streikzeitraum zwei Drittel aller Fernverbindungen aus. Hunderte Mitarbeiter seien zusätzlich auf großen Bahnhöfen eingesetzt gewesen, um Bahnreisende zu informieren sowie mit Getränken und Snacks zu versorgen, so die Bahn. Zudem sei es gelungen, durch den bereits vor Streikbeginn eingesetzten Notfahrplan die Zugbereitstellung so zu organisieren, dass sich der Verkehr nach dem Ende des Streiks relativ schnell wieder normalisierte.

Noch wesentlich weniger Züge fuhren im ebenfalls bestreikten Regional- und Nahverkehr, der in einigen Regionen fast vollkommen zum Erliegen kam. Besonders Berufspendler waren davon betroffen. Viele Verbindungen wurden während des Streiks überhaupt nicht bedient, in Berlin fuhr unter anderem keine S-Bahn auf der wichtigen Ringstrecke. Nach GDL-Angaben fielen spartenübergreifend 85 Prozent aller Züge aus.

Die GDL warf der Bahn AG vor, die Bahnreisenden durch ihren unangekündigten »Chaosfahrplan« bewusst zusätzlich belastet zu haben. Tausende Lokführer und Zugbegleiter seien bereits ab Mitternacht - 14 Stunden vor Streikbeginn - daran gehindert worden, ihrer Arbeit nachzugehen. Dem Unternehmen sei es offensichtlich darum gegangen »den Frust der Fahrgäste zu erhöhen und die GDL zu diskreditieren«, hieß es in einer Pressemitteilung. Ferner habe DB-Personalvorstand Ulrich Weber ein für Mittwoch vereinbartes vertrauliches Gespräch über Lösungen im Tarifkonflikt kurzfristig abgesagt und dennoch öffentlich behauptet, die Gewerkschaft verweigere Verhandlungen.

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky forderte den Bund als Eigentümer der Bahn AG auf, den Vorstand »zur Rechenschaft zu ziehen«. Am Donnerstag bekräftigte Weselsky im Sender n-tv die Forderungen nach Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen und die Begrenzung der Überstunden für das gesamte Fahrpersonal. Man befinde sich im »Erzwingungsstreik«, und es werde weitere Arbeitsniederlegungen geben, wenn die Bahn ihre Blockadehaltung nicht aufgebe. Das Unternehmen weigert sich, reguläre Tarifverhandlungen aufzunehmen, solange die Zuständigkeiten der beiden Gewerkschaften GDL und EVG für die einzelnen Berufsgruppen des Fahrpersonals nicht geregelt sind. Die GDL pocht dagegen auf ihr Recht, nicht nur die Lokführer zu vertreten. Man werde sich »keinem Tarifdiktat für unsere Mitglieder unterwerfen«, so Weselsky.

Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, appellierte am Donnerstag an die GDL, zu einer gemeinsamen Tarifpolitik zurück zu finden. Kirchner bekräftigte, dass die zum DGB gehörende EVG in allen Berufsgruppen außer den Lokführern mehr Beschäftigte als die GDL organisiere und deren Forderung nach Tarifpluralität ebenso wie die Unternehmensleitung ablehne. Ein Ergebnis hätten die bisherigen GDL-Streiks nicht gebracht, so Kirchner.

Derweil begann am Mittag ein zwölfstündiger Streik der Pilotengewerkschaft Cockpit bei der Lufthansa-Tochter Germanwings. Nach Unternehmensangaben werden rund 100 innerdeutsche Flüge ausfallen, 34 davon am Berliner Flughafen Tegel. Betroffen sind 25 000 Passagiere. Den Kunden würden Stornierungen, Bahnticket und soweit möglich auch Umbuchungen auf andere Airlines angeboten, hieß es. Cockpit wehrt sich mit dem Streik gegen Pläne der Lufthansa, die Vorruhestandsregelung für Piloten deutlich zu verschlechtern.

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