Ukraine dominiert Asem-Gipfel

Gespräche und Druck des Westens auf Russland bei Spitzentreffen in Mailand

  • Klaus Joachim Herrmann 
und Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Aus vielen Foren wurde in der Ukraine-Krise Russland ausgeschlossen. Nun werden solche wie das Asem-Treffen zum Dialog genutzt.

»Merkel wies die ganze Verantwortung für die Lösung des Konfliktes im Donbass der Russischen Föderation zu«, titelte am Donnerstag die regierungstreue ukrainische Agentur UNIAN. So deutete sie logisch die Aussage der deutschen Kanzlerin im Bundestag, Russland müsse den »entscheidenden Beitrag zur Deeskalation« leisten. Die CDU-Politikerin machte dort vom Vormittag deutlich, dass sie bei den im norditalienischen Mailand anstehenden Gesprächen mit den Präsidenten der Ukraine und Russlands, Petro Poroschenko und Wladimir Putin, vor allem an Moskau Forderungen stellen wolle.

Westliche Spitzenpolitiker hatten ihre Haltung vor dem europäisch-asiatischen Asem-Treffen, an dem Donnerstag und Freitag rund 50 hochrangige Politiker aus beiden Kontinenten teilnehmen, in einer Videokonferenz abgestimmt. Daran nahm auch US-Präsident Barack Obama teil. Die Teilnehmer forderten nach Angaben aus Paris laut dpa einen vollständigen Waffenstillstand in den umkämpften Gebieten. Alle Gefangenen seien freizulassen.

Die Minsker Vereinbarung vom September solle vollständig eingehalten werden, blieb Merkel stramm auf Linie. »Das verlangt unter anderem den Abzug russischer Waffen, eine effektive Grenzsicherung unter Führung der OSZE sowie die Durchführung von Kommunalwahlen im Osten der Ukraine nach ukrainischem Recht.« Sie wolle weiterhin sowohl mit Sanktionen gegen Russland als auch durch Gespräche »die Stärke des Rechts« durchsetzen.

Die Lage in der Ukraine bezeichnete Merkel trotz der vereinbarten Waffenruhe zwischen den Rebellen und den ukrainischen Regierungstruppen als »äußerst schwierig«. Seit Inkrafttreten dieser Waffenruhe seien mehr als 300 Menschen gestorben. Es gebe weiterhin Berichte über Kämpfe und Opfer.

In einer Runde europäischer Spitzenpolitiker um die Kanzlerin soll an diesem Freitag in Mailand mit Putin und Poroschenko über Wege aus der Krise beraten werden, wie angekündigt wurde. Auch der britische Premierminister David Cameron, der französische Präsident François Hollande, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi und die Spitzen der EU seien dabei. Am Vorabend wollte Präsident Putin mit Kanzlerin Merkel sprechen. Auch Verhandlungen mit dem ukrainischen Präsidenten waren vorgesehen.

Russlands Präsident, der am Nachmittag im serbischen Belgrad noch an einer Parade zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus teilnahm, wartete vor Gesprächsbeginn seinerseits mit Beschuldigungen auf. Zum Verhalten von US-Präsident Obama und zu den Sanktionen gegen sein Land sagte er in einem Interview für die serbische Zeitung »Politika«. Es sei »schwer, ein solches Vorgehen anders als feindselig zu bezeichnen«. Partner Russlands sollten einsehen, »dass Erpressungsversuche unvernünftig sind«. Putin warnte, ein Streit der Atommächte habe Folgen für die globale Stabilität.

Washington habe den Maidan aktiv unterstützt, merkte Putin an. Als aber »seine Günstlinge in Kiew mit ihrem zügellosen Nationalismus« einen bedeutenden Teil der Ukraine gegen sich aufbrachten und das Land in einen Bürgerkrieg stürzten, sei Russland vorgeworfen worden, eine Krise zu provozieren, zitierte RIA/Nowosti den Kremlchef.

Rückendeckung erhielt Putin vom letzten Präsidenten der Sowjetunion, dem als »Vater« von Perestroika und deutscher Einheit einst gefeierten Michail Gorbatschow.

Dieser warf in der »Rossiskaja Gasjeta« dem Westen vor, Russlands legitime Interessen nicht zu berücksichtigen. Die Osterweiterung der NATO sei »ein Fehler und ein Bruch« mit dem Geist der Vereinbarungen zwischen dem Westen und Russland nach dem Ende des Kalten Krieges gewesen. Der Friedensnobelpreisträger forderte vom Westen ein Ende der Sanktionspolitik gegen Russland. »Niemand darf sich auf einen neuen Kalten Krieg einlassen«, mahnte er. Russland habe bereits nach der jüngsten Sanktionsrunde des Westens im September auf Gegenmaßnahmen verzichtet. »Jetzt sind die Partner an der Reihe.«

Gorbatschows Bemerkung, er sei gegen »jede Art von Mauer«, richtete sich in diesem Falle nicht allein gegen die vor 25 Jahren gefallene Berliner. Seinen Widerwillen bekundete der Politiker hier angesichts des Vorhabens der Kiewer Regierung, damit die Grenze zu Russland befestigen zu wollen. Das über 2000 Kilometer lange Vorhaben »Stena« (Mauer) bekräftigte jedoch der ukrainische Kabinettschef Arseni Jazenjuk. Ein Staat, der seine Grenze nicht kontrolliere, könne auch nicht NATO-Mitglied werden, nannte er ein weiteres strategisches Ziel.

Im Bericht über die Inspektion der Bauarbeiten im Gebiet Charkow durch den Regierungschef wurde mitgeteilt, die Mauer heiße nun »Europäischer Wall«. Jazenjuk hatte zuvor im ukrainischen TV-Kanal 24 auch die Einführung einer Visapflicht für russische Staatsbürger in Aussicht gestellt. Kommentar Seite 4

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