Ausmaß von Gräueltaten in der Ukraine laut Amnesty unklar

Tote und Verletzte bei Auseinandersetzungen im Donbass / Nach Gas-Kompromiss mit einem »Winterpreis« fehlt Kiew das Geld

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Übertrieben, aber trotzdem furchtbar genug, sind laut Amnesty International Gräueltaten beider Seiten im Ukrainekonflikt.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Konfliktparteien in der Ostukraine illegale Hinrichtungen vorgeworfen. Überzeugende Hinweise auf Massentötungen, wie im September von russischen Medien verbreitet, gebe es hingegen nicht, heißt es in einem am Montag in Berlin verbreiteten Bericht von Amnesty. Dieser dokumentiert illegale Hinrichtungen sowohl durch prorussische Separatisten als auch durch regierungstreue Kräfte. Beiden Seiten werde falsche Angaben und Übertreibungen vorgeworfen.

»Es gibt keine Zweifel an illegalen Hinrichtungen und Gräueltaten«, sagte Jovanka Worner, Ukraine-Expertin der Menschenrechtsorganisation. Es sei jedoch schwierig, »das Ausmaß festzustellen«. Viele schockierende Fälle, »die insbesondere von russischen Medien veröffentlicht wurden, sind enorm übertrieben«, sagte Worner. »Es gibt keine überzeugenden Beweise für Massentötungen oder Gräber. Wir haben in einzelnen Fällen Hinrichtungen gesehen, die Kriegsverbrechen sein könnten.«

Ungeachtet der Waffenruhe gab es auch zu Wochenbeginn bei Auseinandersetzungen in der Ostukraine Tote und Verletzte. Bei einem Angriff auf einen Kontrollposten der Regierungstruppen im Gebiet Lugansk seien mehr als zwei Soldaten getötet worden, sagte Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko. In Donezk starben nach Angaben der Verwaltung der Großstadt mindestens vier Zivilisten. Insgesamt 23 Menschen wurden verletzt. Die Stadtverwaltung berichtete zudem von einer heftigen Explosion bei einer Chemiefabrik. Die Aufständischen sprachen von einem Raketenangriff und beschuldigten die ukrainische Armee.

Zur Überwachung der Waffenruhe im Konfliktgebiet sei Russland bereit, Drohnen für die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Verfügung zu stellen, erklärte Russlands Außenminister Sergej Lawrow.

Im Gasstreit mit Russland rechnet der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk trotz jüngster Fortschritte mit weiterhin schwierigen Gesprächen. Er beschuldigte Russlands Präsidenten Wladimir Putin, eine Lösung mit immer neuen Forderungen zu verzögern.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte eine Einigung mit Russland zumindest auf einen »Winterpreis« am Wochenende verkündet. Danach einigten sich Russland und die Ukraine vorläufig auf einen Preis von 385 US-Dollar (etwa 300 Euro) pro 1000 Kubikmeter, den Kiew nach Russland überweist. Dies wären 100 Dollar weniger als derzeit. Die Absprache laufe bis Ende März. Als ungeklärt gelten aber die Schlüsselfragen der Vorkasse, der Schuldentilgung. Am Dienstag wird in Brüssel weiter verhandelt.

Der russische Gazprom-Konzern bekräftigte, dass die Bezahlung von gut 4,5 Milliarden US-Dollar (rund 3,5 Milliarden Euro) bis zum Jahresende durch die Ukraine weiter im Raum stehe. Es sei fraglich, ob das die finanziell angeschlagene Ex-Sowjetrepublik leisten könne. »Der Ball liegt im Feld der EU-Kommission«, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller. Die Ukraine fordert zusätzlichen Finanzhilfen vom Westen. Die bisher zugesagten 30 Milliarden Dollar bezeichnete der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin als unzureichend. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der slowakische Regierungschef Robert Fico mahnten die Ukraine, einen eigenen Beitrag zu leisten. So erklärte Fico, es dürfe nicht erwartet werden, dass die EU die ukrainischen Gasschulden übernehme.

In der Ostukraine gab Separatistenführer Andrej Purgin erneut der Führung in Kiew Schuld am MH17-Absturz. Es sei unverständlich, dass die Regierung den Luftraum über dem Konfliktgebiet nicht gesperrt habe. Als Folgen einer allgemeinen »Hysterie« wies er BND-Anschuldigungen, über die der »Spiegel« berichtete, zurück, hinter der Katastrophe zu stecken. Das Luftabwehrsystem »Buk« sei höchst kompliziert, und die Aufständischen hätten in ihren Reihen nicht die nötigen Militärexperten. Agenturen/nd

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