Experten mit Grenzen

In Berlin diskutierten Ärzte und Politiker über Maßnahmen gegen Ebola

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Der 6. World Health Summit in Berlin stand im Zeichen von Ebola. »Ärzte ohne Grenzen« kritisiert die bisherigen Hilfen als unzureichend.

Der am Mittwoch in Berlin endende World Health Summit brachte etwa 1200 Gesundheitsexperten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammen. Beraten wurde - neben der Bekämpfung der aktuellen Ebola-Epidemie - auch über Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit oder die Ausbreitung der sogenannten Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht und Herz-Kreislauf-Leiden.

Es lag wohl nicht nur an der prominenten Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, dass in der Berichterstattung die Statements von Politikern im Fokus standen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) fordert eine bessere Koordination der Ebola-Hilfen. Er ist zugleich Teil jener Regierung, die nicht über geeignete Spezialflugzeuge für Ebola-Patienten verfügt. Erst Mitte November soll ein entsprechendes Flugzeug einsatzbereit sein. Ebenso im Rückstand ist die Koalition bei der finanziellen und versicherungsrechtlichen Absicherung medizinischer Fachkräfte im Ausland.

Frankreich hingegen hat für solche Fälle einen Solidaritätsfonds eingerichtet, da die Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« den Nothelfern nur eine Aufwandsentschädigung zahlt. Die EU wiederum garantiert erst seit Montag eigenen Helfern einen zuverlässige medizinische Versorgung, wenn sie sich infizieren. Steinmeier forderte zudem, die Seuche auch mit »Weißhelm«-Truppen der UNO zu bekämpfen.

Der World Health Summit beansprucht nunmehr zum sechsten Mal, außerordentliche Fortschritte für die Gesundheit der Menschheit anzuregen und langjährige Probleme durch das Zusammentreffen von Nichtregierungsorganisationen, Politikern und Medizinern der Lösung näherzubringen. Das soll quasi zusätzlich zu den bestehenden internationalen Strukturen wie jenen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder auch an diesen vorbei geschehen. Die akademischen Partner der Tagung umfassen diverse Forschungseinrichtungen und -verbünde; vier deutsche Ministerien, die WHO und die EU-Kommission sind Co-Gastgeber.

Die aktuelle Ebola-Epidemie hatte das in Berlin versammelte Expertenpotenzial weder vorhergesehen noch zu verhindern gewusst. So übte Florian Westphal, Geschäftsführer von »Ärzte ohne Grenzen«, scharfe Kritik: »Es gibt bei uns eine tiefe Frustration, dass die internationale Gemeinschaft versagt hat. Es ist traurig, dass keiner unsere kontinuierlichen Warnungen gehört hat.« 3000 internationale Helfer der Organisation arbeiten bereits in der Region, 600 zur Verfügung gestellte Betten sind vollständig ausgelastet, Patienten müssen abgewiesen werden.

Neben der Notversorgung und der Konzentration auf die Bekämpfung einzelner Krankheiten wie Malaria, Aids oder Tuberkulose sind grundsätzliche Fragen medizinischer Entwicklungshilfe zumindest in den Hintergrund geraten. Etwa die, dass ein grundsätzlich - auch mit Testlabors - gut ausgestattetes Gesundheitswesen für alle Teile der Bevölkerung zugänglich sein muss. Die westlichen Politiker, die jetzt in Berlin über die effektivere Bekämpfung der akuten Krankheitswelle räsonieren, profitieren indirekt von der Gesamtschieflage des globalen Gesundheitssystems. So arbeiten mehr Ärzte aus Liberia und Sierra Leone in OECD-Staaten als in den beiden afrikanischen Ländern selbst.

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