CDU und Grüne streiten über Parteinamen

Strobl fordert, »Bündnis 90« wegen Rot-Rot-Grün zu streichen / von Notz: »CDU« nach Vereinigung mit Blockflöten »untragbar« / Özdemir: CDU soll vor der eigenen Tür kehren

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Eine Äußerung aus der CDU über den Parteinamen der Grünen hat eine Diskussion über die Vergangenheit der früheren Blockpartei ausgelöst. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl hatte die Grünen aufgefordert, nach ihrem Votum für eine rot-rot-grüne Koalition in Thüringen den Zusatz »Bündnis 90« aus ihrem Parteinamen zu streichen. »Es ist geschichtsvergessen, einen Politiker der umbenannten SED zum Ministerpräsidenten zu wählen«, sagte Strobl »Welt Online«. »Diese Partei nennt sich Bündnis 90/Die Grünen und unterstreicht damit ihre bürgerrechtliche Tradition. Ich fordere die Grünen auf, Bündnis 90 aus ihrem Parteinamen zu streichen, wenn sie sich auf eine rot-rot-grüne Koalition in Thüringen einlassen.«

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz forderte daraufhin Strobl sarkastisch auf, »das CDU aus dem Namen seiner Partei zu streichen«. Diese Abkürzung sei »nach der Vereinigung mit der Blockflöten DDR-CDU« untragbar, so der Grüne. Die Grünen-Politikerin Monika Lazar sagte auf Twitter, die Bauernpartei der DDR sei von der »West-CDU auch übernommen« worden, diese habe das aber »alles schon verdrängt, weil‘s nicht ins Weltbild passt«. Die Vositzende der Grünen, Simone Peter, twitterte: »Bündnis90/Die Grünen hat das, woran es manchen aus der Union fehlt: den Sinn für Bürgerbewegungen«.

Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir wies Strobls Forderung umgehend zurück. »Wir nehmen das Erbe von Bündnis 90 sehr ernst und zwingen die Linkspartei in Thüringen dazu, sich mit dem Unrechtsstaat DDR auseinanderzusetzen. Anders ist eine Zusammenarbeit gar nicht möglich«, hieß es in einer Erklärung Özdemirs am Samstag. Er forderte Strobl auf, vor der eigenen Tür zu kehren. Die West-CDU habe die Schwesterpartei im Osten mit offenen Armen aufgenommen. »Aber bis zum heutigen Tag weigert sich die CDU, sich mit der Schuld der Ost-CDU auseinanderzusetzen. Die Ost-CDU hat in der DDR willfährig mitgemacht und trägt als Blockpartei eine Mitverantwortung für die Verbrechen der SED.«

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi forderte Strobl auf, besser zu recherchieren, bevor er moralisiere: »Herr Ramelow ist kein Politiker der SED.« Bodo Ramelow - er will erster linker Ministerpräsident in einem Bundesland werden - sei geborener Niedersachse und habe mit der SED nichts zu tun gehabt. »Und es ist die CDU in Thüringen, die ehemalige SED-Mitglieder auf ihrer Landesliste geführt hat«, kritisierte Fahimi.

Die Aussicht auf eine von der Linkspartei geführte rot-rot-grüne Landesregierung sorgte indes aber auch in den Reihen der Grünen für Unmut. »Ausgerechnet die Bündnisgrünen tragen zur schleichenden Rehabilitierung der SED-Nachfolger bei«, monierte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz im »Focus«. »Mit der Linken werden wir einer Partei Verantwortung für die Zukunft übergeben, die nie Verantwortung für die Vergangenheit übernommen hat.« Ihr Eingeständnis, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei, sei lediglich »ein Lippenbekenntnis«.

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht in der geplanten rot-rot-grünen Koalition in Thüringen die Chance für eine Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Es sei Aufgabe der Politik, 25 Jahre nach der Wende »die Aufarbeitung des Unrechtsstaates DDR« voranzutreiben, sagte sie der Zeitung »Bild am Sonntag«. Es gebe daher in Thüringen die Chance, »dass dies gemeinsam mit der Linken, der Nachfolgepartei der SED, geschieht«. Göring-Eckardt, die selbst aus Thüringen stammt, sagte der Zeitung zudem, Proteste bei den Grünen angesichts der geplanten Landeskoalition seien ausgeblieben: Sie sei froh, dass es bislang »weder Parteiaustritte gibt noch eine Ablehnung dieser Koalition im Landesverband«. Auf Bundesebene würde ein solches Bündnis ihrer Meinung nach hingegen nicht funktionieren, sagte sie.

In Thüringen wollen Linke, SPD und Grüne über die Bildung einer Koalition unter Führung eines linken Ministerpräsidenten verhandeln. Dies hatte in den vergangenen Tagen zu heftiger Empörung unter Unionspolitikern geführt. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, sagte am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, »das hysterische Geschrei der Union wegen Rot-Rot-Grün treibt immer absurdere Blüten. Abschied tut weh, ja. Aber zur Demokratie gehört der Wechsel«, so der Linkenpolitiker. nd/mit dpa

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.