Trinkfest und gar nicht arbeitsscheu

  • Reinhard Renneberg, Hongkong & Merseburg
  • Lesedauer: 2 Min.

Gérard Depardieu, Kinoheld in der DDR (unter anderem im erfolgreichen Zweiteiler »1900« als italienischer Kommunist) und heute Steuerflüchtling in Russland, schreibt in seiner recht offenherzigen Autobiografie, er konsumiere 14 Flaschen Wein, Bier und Pastis - am Tag! Ein deutsches Massenblatt hat flugs ausgerechnet, dass er damit einen Promillewert von 14,97 im Blut haben müsste. Alkohol-Hefen freilich halten da mehr aus. Sie sterben erst bei Konzentrationen von 9 bis 20 Prozent ab.

Für Hochprozentiges muss man das Produkt gewöhnlicher Hefen »brennen«: Ein Ethanol-Wasser-Gemisch siedet bereits bei 78° C (Wasser erst bei 100 °C). Deshalb verdampft bei Erhitzung zuerst ein Gemisch aus 95,6 Volumenprozent Ethanol und 4,4 Prozent Wasser. Der Dampf wird kondensiert beim Abkühlen und man erhält Branntwein.

Hefen (Saccharomyces cerevisiae) produzieren zwar Alkohol, aber nur wenn der Sauerstoff knapp ist. Das nennt man Gärung. Bei ausreichend Sauerstoff »veratmen« sie dagegen Zucker (wie Menschen auch) zu CO2, Wasser und Energie.

Im US-Fachblatt »Science« (Bd. 346, S. 71 & 75) werden nun in zwei Artikeln »abgehärtete« Hefen beschrieben. Die Stoffwechsel-Ingenieure experimentierten zunächst mit Kaliumsalzen und erhöhten den pH-Wert der Hefe-Umgebung. Gregory Stephanopoulos und sein Team vom MIT waren damit erfolgreich und veränderten so die Zellmembranen der Hefe. Die Membranen besitzen Protonen(H+)- und Kaliumpumpen. Wenn man diese Pumpen zusätzlich noch gentechnisch verstärkte, produzierten die Hefen auch mehr Alkohol - bis zu 80 Prozent mehr.

Die Gruppe von Jens Nielsen an der Chalmers Technischen Uni Göteborg (Schweden) konzentrierte sich dagegen auf Wärmetoleranz. Hefen sind bei 30 °C am produktivsten. Biosprit verlangt aber höhere Temperaturen. Der Alk könnte gleich destilliert werden! Außerdem muss gegenwärtig viel Energie für die Kühlung der Hefen aufgewendet werden, denn Fermentationen erzeugen außer Alkohol immer auch Wärme.

Das Team kultivierte drei Populationen von Hefen zuerst bei 40 °C. Nach mehreren hundert Generationen (eine Art Mini-Evolution) sequenzierte man das Genom der verschiedenen Hefen. Der DNA-Gesamtkatalog zeigte Mutationen; aber allen gemeinsam war das veränderte Gen ERG3. Es codiert in der DNA das Enzym Steroldesaturase. Das Enzym wiederum produziert Ergosterol, das die Durchlässigkeit von Membranen erhöht. Nun sind 40 °C immer noch zu niedrig, 60 °C und höher werden angepeilt.

Auf dass dem guten Gérard in der russischen Kälte nicht der Stoff ausgeht!

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