Die Top-Tricks der Vermieter

Mietpreisbremse und Schlupflöcher

  • Lesedauer: 4 Min.
Nach monatelangem Ringen beschloss die Bundesregierung die Durchsetzung der sogenannten »Mietpreisbremse«. Im nd-ratgeber Nr. 1171 vom 1. Oktober 2014 veröffentlichten wir die Eckpunkte. Seither reißen auch kritische Stimmen nicht ab, was bei vielen Lesern für neue Fragen sorgt.

In der ersten Hälfte 2015 soll das neue Gesetz in Kraft treten und Mieter davor schützen, dass Vermieter die Kaltmieten bei der Neuvermietung unbegrenzt erhöhen. Besonders in stark nachgefragten Regionen wie den Metropolen Berlin, Hamburg oder München ist dies nämlich ein Problem. Bei Wiedervermietung sind Preissprünge um die 20 Prozent keine Seltenheit. Deshalb darf in derlei Problemregionen ein Anstieg der Miete maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Gute Nachrichten für die Mieter? Im Prinzip ja, aber: Liegen Mieten jetzt schon 10 Prozent oder mehr über der ortsüblichen Vergleichsmiete, haben sie Bestand und müssen bei Neuvermietung nicht gesenkt werden.

Die Plattform kautionsfrei.de nennt einige Schlupflöcher, wie Vermieter die Mietpreisbremse aushebeln werden.

Ausnahme: Neubauten

Bereits hier greift eine erste Ausnahme. Für Neubauten nämlich, die nach dem Stichtag 1. Oktober 2014 bezogen werden, gilt die Mietpreisbremse nicht, auch nicht bei einer Zweit- oder Drittvermietung

Staffel- oder Indexmiete

Um eine Erhöhung der Miete auch über zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete zu erreiche, werden viele Vermieter mit Inkrafttreten der Mietpreisbremse eine Staffel- oder Indexmiete vereinbaren, denn für diese Verträge gilt die Neuregelung noch nicht. So ist es den Eigentümern erlaubt, die Miete kontinuierlich um einen bestimmten Prozentsatz (Staffelmiete) oder entsprechend dem Index der Lebenshaltungskosten (Indexmiete) zu steigern.

Ausnahme: Modernisierung

Ebenso wie Neubauten sind auch umfassend modernisierte Immobilien von der neuen Regelung ausgeschlossen. Da zum Beispiel die energetische Sanierung ohnehin vom Staat gefördert wird, nehmen viele Eigentümer dies zum Anlass, sich einen Teil der Modernisierung finanzieren zu lassen und im Anschluss die Mieten hochzuschrauben. Auf diese Weise wird die Mietpreisbremse effektiv ausgebremst. Man kann sich an folgender Faustformel orientieren: Die Investition muss etwa ein Drittel der Kosten für eine Neubauwohnung erreichen.

Möblierte Wohnungen

In den letzten Jahren eher bei Studenten oder denjenigen angesagt, die nur vorübergehend in eine Stadt ziehen, könnte das Prinzip des »möblierten Wohnens« dank der Mietpreisbremse wieder einen enormen Aufschwung bekommen. Denn entsprechend eingerichtete Wohnungen bleiben von der neuen Regelung unberührt. Viele Vermieter werden sich also überlegen, ob sie nicht künftig auf dieses lukrative Modell umsteigen und Geschäftsleuten oder Neuzugezogenen teure Interims-Wohnungen anbieten, deren Mietpreis durch die Bremse nicht gedeckelt wird.

Mieten im Vorfeld erhöhen

Bereits vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse setzen die Vermieter alles daran, diese auszuhebeln. Vielerorts vermieten sie ihre Wohnungen oder Häuser schon jetzt zu extrem hohen Preisen, da sie die Mieten nach der Einführung des Gesetzes erst einmal nicht anheben dürfen. Diese Torschlusspanik kann dazu führen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete vor Inkrafttreten des Gesetzes noch einmal kräftig ansteigt.

Stillhalten?

Von vielen Kritikern wird das neue Gesetz als »zahnloser Tiger« bezeichnet. Denn der Vermieter kann auch weiterhin Mondpreise verlangen. Erst wenn ein Mieter dagegen klagt, muss er die Miete anpassen. Strafen oder Sanktionen hat er allerdings nicht zu befürchten. Darum werden viele Eigentümer auf das Unwissen ihrer Mieter setzen und einfach weitermachen wie bisher.

Verkauf als Ultima Ratio

Viele Eigentümer sehen die Preisbremse als grundsätzliche Gefahr für das Modell der Vermietung von Immobilien in Deutschland. Laut einer Umfrage von ImmobilienScout24 unter 323 Vermietern wollen ganze zehn Prozent ihre Wohnung oder ihr Haus - sobald die Neuregelung greift - lieber gewinnbringend verkaufen als weiter auf die Vermietung zu setzen. Dies dürfte zum Einbruch des bislang vorherrschenden Trends zum Immobilienkauf - das Volumen hat sich von 2009 bis 2013 verdreifacht - führen.

Problem Bestellerprinzip

Mit der Mietpreisbremse tritt auch das sogenannte Bestellerprinzip in Kraft. Laut diesem zahlt künftig derjenige die Maklerkosten, der ihn beauftragt hat - in den allermeisten Fällen also der Vermieter. Doch ganz gewiss werden sie nicht auf diesen zusätzlichen Kosten sitzenbleiben, sondern sie weiterreichen. So werden findige Vermieter einfach die Abstandszahlungen für Einbauküchen oder sonstiges Inventar höher ansetzen. Dies funktioniert allerdings nicht in allen Städten. So gehören in Berlin zu jeder Wohnung ein Herd und eine Spüle zur Grundausstattung, für die keine zusätzlichen Kosten berechnet werden dürfen (Berliner Standard).

Wie sensibel das Thema Mietpreisbremse auch von den Maklern aufgefasst wird, zeigt nicht zuletzt auch ihre recht massive Drohung, die Einführung durch eine Verfassungsklage zu verhindern. kautionsfrei.de/nd

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