Czaja muss bei Details zu Heimverträgen passen

Opposition attackiert Sozialsenator im Abgeordnetenhaus erneut wegen Ungereimtheiten bei der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die sogenannte Patenkind-Affäre des Präsidenten des LAGeSo, Franz Allert, überschattete am Donnerstag die Fragestunde im Abgeordnetenhaus. Sozialsenator Czaja macht dabei keine gute Figur.

Die Affäre ist für Mario Czaja noch nicht ausgestanden. Die Opposition von Grünen, Linkspartei und Piraten griff am Donnerstag erneut den CDU-Sozialsenator wegen Ungereimtheiten bei der Errichtung von Unterbringungsplätzen für Flüchtlinge an. Erst am Mittwoch hatte es eine vierstündige Sondersitzung des Sozialausschusses gegeben. Czaja war am Donnerstag trotz eines anderen Termins im Abgeordnetenhaus erschienen. Stand bisher im Zentrum der Vorwurf, der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), Franz Allert, könnte möglicherweise seinen Patensohn Tobias Dohmen bevorteilt haben, der Geschäftsführer der Gierso ist, an die das LAGeSO in Berlin fünf Heime mit etwa 870 Plätze vergeben hat. So verlagert sich die Debatte inzwischen stärker auf die Verträge allgemein, die das LAGeSo mit privaten Heimbetreibern wie der Gierso und der mit ihr verbandelten PeWoBe abgeschlossen hat.

Offenbar hat der politische verantwortliche Sozialsenator Czaja aber selber kaum Wissen über Vertragsdetails, obwohl der Ausbau der Unterbringungskapazitäten zu seinen Schwerpunkten zählt und seinen Etat ordentlich belasten dürfte. »Es wird gar keine Vergabe von der Hausleitung abgezeichnet«, sagte Czaja. Er sehe keine Verträge ein und unterschreibe auch keine. Und: »Zu den Geschäftsbeziehungen der verschiedenen Unternehmen habe ich mich nicht geäußert.« Das liege alles beim LAGeSO und seinen 1000 Mitarbeitern. Die nahm der Sozialsenator erneut in Schutz: Die Vorwürfe würden von der Innenrevision des Landesamtes und dem Landesrechnungshof geprüft, betonte Czaja. »Warten Sie doch die zwei Wochen ab«, forderte der Sozialsenator die Opposition auf. Bis dahin soll ein Bericht der Prüfung vorliegen. Bis der Landesrechnungshof die Verträge mit der PeWoBe und Gierso geprüft hat, dürfte es indes noch länger dauern.

Doch genau diese Geschäftsbeziehungen werfen Fragen auf. »Wussten Sie, dass mehrere Verträge mit Wilhelm Pleß als Heimbetreiber der Gierso unterzeichnet wurden, obwohl gegen ihn elf Haftanordnungen vorlagen und er im Unternehmen keinerlei Funktion hat?«, wollte der Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt von Czaja wissen. Die Abgeordnete der Grünen, Canan Bayram, stieß in dasselbe Horn: »Unser Ziel ist es, jeden Cents in die Unterbringung von Flüchtlingen fließen zu lassen und nicht in die Taschen von Menschen mit Haftanordnung.« Wie wenig der Sozialsenat offenbar über die Verträge Bescheid weiß, verdeutlicht derweil auch die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Piraten-Abgeordneten Reinhardt, die »nd« vorab vorliegt. Demnach hat der Senat etwa zur Flüchtlingsunterkunft der PeWoBe in Neukölln-Britz »keine Erkenntnisse«, welches Unternehmen bzw. Subunternehmen diese umstrittene Unterkunft im Auftrag der PeWoBe errichtet hat. Dabei ist das durchaus relevant: Denn gegenüber den ersten Planungen entstanden Mehrkosten von 1,4 Millionen Euro an Steuergeldern - angeblich, »weil keine Winterbaukosten« veranschlagt worden waren.

Die PeWoBe lässt derweil via Pressemitteilung mitteilen, dass sie sich gegen jeden Versuch verwahre, in Zusammenhang mit den Untersuchungen zu den aktuellen Vorgängen im LAGeSo gebracht zu werden. Ganz geheuer scheinen die Vorgänge aber auch Czaja selbst nicht zu sein. »Die Strukturen des LAGeSo müssen weiter überprüft und ausgebaut werden«, kündigt der Sozialsenator an. Außerdem sollen jetzt Kompetenzen aufgebaut werden, damit jeder Betreiber und jedes Heim überprüft werden könne.

Angesichts der jahrelangen Kritik von Flüchtlingsorganisationen an den Zuständen in den Heimen und den Problemen mit Betreibern wirft diese späte Einsicht erneut ein schlechtes Licht auf den Sozialsenator.

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