Elektronik mit Herz

Neue Software verbessert die telemedizinische Beobachtung von Herzpatienten

  • Richard Rabensaat
  • Lesedauer: 3 Min.

Darüber, ob ein Herzinfarkt tödlich verläuft, entscheidet nicht zuletzt der Wohnort. In der Ostprignitz ist die Wahrscheinlichkeit zu sterben fünfmal höher als in Berlin. Das zeigt eine Studie aus dem Jahr 2006. Daran habe sich bis heute nur wenig geändert, stellt Andreas Polze vom Potsdamer Hasso Plattner Institut (HPI) fest. Zu wenige Ärzte und eine alternde Bevölkerung verlangen nach neuartigen Lösungen für das Gesundheitswesen. Die Telemedizin, also eine medizinische Versorgung, bei der Daten vom Patienten zum entfernten Arzt mit moderner Informationstechnik übertragen werden, könnte eine solche Lösung sein, glaubt Polze.

Der Ingenieur Michael Scherf hat an der Entwicklung eines Messgerätes für Patienten mit chronischer Herzschwäche mitgearbeitet. Er setzt den weißen Kasten, an dessen Unterseite sich vier Kontakte befinden, auf seine Brust. Wenige Sekunden später hat das Gerät seine Herzfrequenz ermittelt. Die zackige Kurve eines EKG wird sichtbar. Doch damit die telemedizinische Untersuchung Erfolg hat, müssen die ermittelten Daten schnell und lückenlos zu einem Arzt übertragen werden. Nicht überall stehe ein entsprechendes Funknetz zur Verfügung, räumt Polze ein. Der breit angelegte Versuch mit einem Prototyp für die Übermittlung der entsprechenden Daten erwies sich daher als ein Testfall. Die Datenübertragung musste in Schwerin genau so funktionieren wie an der polnischen Grenze. Dort greift das Übermittlungsgerät manchmal auf ein polnisches Funknetz zu, was Probleme bereitet.

»Gewicht, Puls, Sauerstoffmessung geben Auskunft darüber, wie es dem gefährdeten Patienten geht«, erklärt der Informatiker. Das farbige Display des Übermittlungsgerätes Physiogate fragt überdies danach, ob der Patient sich »sehr gut« oder »sehr schwach« fühle. Aus den übermittelten Informationen lasse sich dann mit einer achtzigprozentigen Wahrscheinlichkeit der Gesundheitszustand ermitteln. Wenn es notwendig ist, kann aufgrund der Daten dann schnell geholfen werden. Hierbei sind entsprechende Klassifizierungsprogramme hilfreich, an denen Polze geforscht hat. »Die Patienten müssen nicht mehr so häufig unmittelbar von einem Arzt untersucht werden und können zu Hause bleiben. Das steigert einerseits die Lebensqualität, andererseits senkt es auch die Kosten im Gesundheitswesen«, beschreibt Michael Scherf den Vorteil des Untersuchungsgerätes.

Ob die Telemedizin tatsächlich Kosten spart und zu einer Verbesserung der Versorgung der Patienten beiträgt, ist allerdings nicht so klar. Stellungnahmen von Ärztevereinigungen und Krankenkassen gehen davon aus, dass der Nutzen telemedizinischer Anwendungen bei Patienten mit hohem Krankheits- und Sterberisiko am größten sein könnte. Es gelte jeweils die Patienten zu finden, für die eine entsprechende Fernuntersuchung den größten Nutzen bringe. Hier soll eine Studie der Berliner Charité mit dem Titel »Fontane« mehr Klarheit bringen. Daten von 1500 Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz werden ausgewertet, um zu prüfen, ob die Telemedizin in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden kann.

Scherf berichtet von der Entwicklung eines Gerätes, mit dem die Daten von gefährdeten, früh geborenen Babys von zu Hause an entsprechende Ärzte und Kliniken übermittelt worden seien. »Sechs bis acht Wochen wurden die Daten gemessen, dann waren die Kinder in der Regel sicher«, stellt der Ingenieur fest. Gegenwärtig sei das Gerät in 40 Ländern erfolgreich in Einsatz.

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