Aarhus-Projekt: Psychologie statt Dschihad

Dänische Stadt will ehemalige islamistische Gotteskrieger wieder ins gesellschaftliche Leben integrieren

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele muslimische Jugendliche aus Dänemark kämpfen in Konfliktgebieten. In Aarhus setzt man im Umgang mit Rückkehrern auf Eingliederung statt auf Kriminalisierung - mit Erfolg.

Auch das kleine Dänemark hat junge Bürger, die sich als islamistische Söldner in Konfliktregionen wie Syrien im »Heiligen Krieg« versuchen. Rund 100 sollen es sein. Das sind bei 5,6 Millionen dänischen Einwohnern nicht viele. Dennoch geht von militärisch ausgebildeten Islamisten mit Kampferfahrung nach ihrer Heimkehr potenziell eine große Terror-Gefahr aus.

Aus dieser Einsicht hat Dänemarks zweitgrößte Stadt Aarhus ein gleichermaßen gelobtes und kritisiertes Reintegrationsprogramm eingerichtet. Knapp ein Drittel der dänischen »Gotteskrieger« kam bis Ende 2013 aus Aarhus. Jetzt sitzen die Rekrutierer, die oft in Moscheen arbeiten, auf dem Trockenen. Denn 2014 ist nur eine Person aus Aarhus bekannt geworden, die nach Syrien in den Krieg gereist ist. Das erfolgreiche Projekt soll nun auf ganz Dänemark ausgeweitet werden. »Wir haben da etwas entwickelt, das funktioniert«, so Justizministerin Karen Haekkerup.

Wie auch schon bei der Reintegration von Neonazis, geht es im 2007 gegründeten Gotteskrieger-Projekt darum, einen humanistisch geprägten ganzheitlichen Zugang zu den zumeist zwischen 16 und 28 Jahre alten Männern zu finden. Nicht alle, aber die meisten von ihnen stammen aus den trostlosen Einwanderer-Siedlungen von Aarhus. Dänen haben kaum Kontakt zu ihnen. Viele der Kriegstouristen haben afrikanische Wurzeln, fühlen sich ausgeschlossen vom dänischen Arbeitsmarkt und der Gesellschaft. Der »Heilige Krieg«, derzeit vor allem in Syrien ausgefochten, verleihe ihnen so etwas wie Lebenssinn und Würde, heißt es von den Psychologen des Projekts. Das Projekt soll das Weltbild der Krieger behutsam zurechtrücken, ihnen zeigen, dass sie auch eine andere Zukunft haben.

Zum ersten geht es um Prävention. Aarhus ist überschaubar. Viele der Risikopersonen wohnen in der gleichen Siedlung. Es ist möglich, gezielt Jugendliche anzusprechen, die in einen Krieg ziehen könnten - um sie davon abzubringen.

Dann geht es um die Rückkehrer. Was sie im Krieg, etwa im fernen Syrien, getan haben, lässt sich schwer ausmachen oder bestrafen. Zwar kann allein die Beteiligung an der Terrorarmee »Islamischer Staat« (IS) in Syrien theoretisch zur Verurteilungen wegen Landesverrats führen. Denn Dänemark kämpft mit Flugzeugen gegen den IS. Aber eine bloße Einreise nach Syrien kann nicht verboten oder juristisch geahndet werden. Bürgermeister Jacob Bundsgaard von Aarhus will deshalb, dass die Gotteskrieger »eine Chance auf Rückkehr in den Alltag« bekommen - und das, bevor sie zu einer Bedrohung für Dänemark werden. Wenn sie als Kriminelle behandelt würden, bleibe ihnen nur noch, ihr Kriegerdasein in Dänemark fortzusetzen.

Zum Aarhus-Projekt gehören Mentorenprogramme. Eingesetzt werden auch Personen, die früher selbst einmal in der radikalislamischen Szene waren. Sie haben eine höhere Glaubwürdigkeit bei den Betreuten. Hinzu kommen Psychologen, die schwere Kriegserlebnisse der jungen Männer behandeln. Die meisten Heimkehrer seien traumatisiert und enttäuscht, heißt es aus Aarhus. Viele wollten ihr normales Leben in Dänemark zurück. Deshalb gibt es auch Hilfen bei der Arbeits- und Wohnungssuche.

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