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Rebellinnen in Pink

Amana Fontanella-Khan berichtet über mutige Inderinnen

  • Gerhard Klas
  • Lesedauer: 4 Min.

In jüngster Zeit kamen in den Medien immer wieder Vergewaltigungen in Indien zur Sprache. Nun ist ein Buch erschienen, das den Widerstand von einfachen, armen Frauen gegen die alltägliche Gewalt und Unterdrückung beleuchtet. Amana Fontanella-Khan will über Frauen berichten, die sich wehren. Dabei ist sie auf die Gulabi Gang mit ihren mehreren Zehntausend Frauen gestoßen, die im zentralindischen Bundesstaat Uttar Pradesh aktiv sind.


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* Amana Fontanella-Khan: Pink Sari Revolution – Die Geschichte von Sampat Pal, der Gulabi Gang und ihrem Kampf für die Frauen Indiens.
Hanser. 272 S., geb., 19,80 €.


Die Frauenbewegung in Südasien hat Tradition: Anfang des 20. Jahrhunderts engagierte sich die Sozialarbeiterin und Schriftstellerin Roquia Sakhawat Hussain in Bengalen für die Gleichberechtigung der Frauen. Sie kam aus der dortigen Oberschicht und wird bis heute für ihr Engagement geehrt. Aus der gut gebildeten Ober- und Mittelschicht stammten auch die Aktivistinnen der indischen Frauenbewegung der 1970er Jahre. Die Gulabi Gang hingegen wurde erst Anfang dieses Jahrhunderts gegründet, und ihre Angehörigen stammen aus der armen ländlichen Bevölkerung.

Die Autorin hat pakistanisch-irische Wurzeln, wuchs in Österreich auf und wohnt heute in Brüssel. Die Journalistin lebt in einer Welt, die sich völlig von der ihrer Protagonistin Sampat Pal, Kopf und Gründerin der Bande in Pink, unterscheidet. Die 52-jährige Sampat Pal spricht Hindi und ist bisher nur selten aus ihrem Distrikt herausgekommen - die 30-jährige Amana Fontanella-Khan hingegen fühlt sich in vielen Regionen der Welt zu Hause und spricht mehrere Sprachen. Sie ist fasziniert von Sampat Pal.

Amana Fontanella-Khan, nunmehr Ehrenmitglied der Gulabi-Gang, war mehrere Monate zusammen mit Sampat Pal und deren Anhängerinnen unterwegs. Wo immer Frauen Gewalt angetan wird oder Ungerechtigkeiten geduldet werden, marschiert die Gulabi-Gang auf: in pinken Saris gekleidet und mit Holzstöcken bewaffnet. Sie stellen nicht nur prügelnde Ehemänner, sondern auch korrupte Politiker und Polizisten zur Rede, die ihre Macht missbrauchen - auch wenn Männer deren Opfer sind.

Sampat Pal ist selbst bereits als Kind verheiratet worden - in einem Dorf, in dem Unrecht gegen Frauen, untere Kasten und die Armen zum Alltag gehörte. Überleben konnte dort nur, wer sich ohne Murren in die Hierarchien fügte. Vor diesem Hintergrund erscheint Sampat Pal als Ausnahme. Sie hat mit ihrer forschen, selbstbewussten Art die männerdominierte Welt im zentralindischen Distrikt Bundelkhand auf den Kopf gestellt. Ihre Gulabi Gang ist eine Selbstschutzorganisation, die anderen Frauen Hoffnung macht.

Amana Fontanella-Khan beschreibt detailliert die vielen Wortgefechte und seltenen physischen Auseinandersetzungen, in die sich Sampat Pal und ihre Gang hineinbegeben. Anlässe gibt es viele: Kinderheirat, Mitgift, Diskriminierung von Witwen, Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen bis hin zum Mord. Brachiale Gewalt lehnen Sampat Pal und ihre Gang in ihrem Kampf gegen Gewalt ab. Das unterscheidet sie von der legendären Bande um Phoolan Devi, die im gleichen Bundesstaat in den 1970er und frühen 1980er Jahren, einer Zeit, als Amana Fonatanella-Khan noch gar nicht geboren war, einen blutigen Rachefeldzug gegen Vergewaltiger führte. Sampat Pal ist mittlerweile so populär, dass Politiker um ihre Gunst buhlen. Einmal hat sie sich sogar für die Indische Kongress-Partei aufstellen lassen und einen kleinen Achtungserfolg erzielt.

Mit ihren einfühlsamen Reportagen hat Amana Fontanella-Khan eine Brücke geschlagen zwischen der Welt der arrivierten, weltläufigen Mittelschicht und den Frauen in einer der ärmsten Regionen Indiens. Ihr Buch wirft einen sensiblen Blick auf die Gewalt, der die Frauen tagtäglich ausgesetzt sind. Und es zeigt den Weg, wie dieser entgegenzutreten und der Alltag der Frauen zu verändern ist: Durch Selbstorganisation, die allerdings - das meint jedenfalls Amana Fontanella-Khan - ohne Sampat Pal nie so weit gediehen wäre.

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