Auskunft über militante Neonazis hinter verschlossener Tür

Berliner Initiativen warnen vor einer Radikalisierung des Protests gegen Flüchtlinge

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Neonazi unterbricht die Parlamentssitzung: Die Frage nach Kenntnis des Innensenats über bewaffnete Rechtsradikale wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit erörtert.

Novum im Abgeordnetenhaus. In Reaktion auf eine Frage der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann wurden die Kameras abgeschaltet und die Zuschauertribünen geleert. Herrmann wollte wissen, ob der Innensenat Kenntnis von bewaffneten Neonazis in Berlin habe. Anlass war ein Bericht der »B.Z.«, wonach der Verfassungsschutz konkrete Hinweise von einem V-Mann aus der rechten Szene erhielt. Demnach soll Marc M. aus dem Stadtteil Buch sich auf Treffen Rechtsextremer für eine Radikalisierung ausgesprochen haben. Der V-Mann berichtete laut Zeitung weiter, dass M. selbst über mindestens drei Waffen verfüge. Als Sportschütze hätte er für diese einen Berechtigungsschein. Zudem wüssten die Behörden, dass M. zu Neonazis und NPD-Mitgliedern engste Verbindungen hat, heißt es in dem Bericht.

Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte, er könne dazu keine Angaben machen, weil diesbezügliche Informationen der Geheimhaltung unterlägen. Auf Antrag von Steffen Zillich (LINKE) wurde darüber abgestimmt, die Parlamentssitzung nicht-öffentlich fortzusetzen. Über eine Stunde lang wurde daraufhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert.

Das »Netzwerk für Demokratie und Respekt in Buch und Karow« verlangte am Donnerstag Aufklärung. »Mitglieder des Netzwerks werden seit Monaten regelmäßig von Rechtsradikalen der NPD drangsaliert und bedroht«, so das Netzwerk. Auch im Umfeld der Proteste gegen das geplante Flüchtlingsheim an der Karower Chaussee sei es immer wieder zu Übergriffen gekommen. Zivilgesellschaftliches demokratisches Engagement sei nur möglich, wenn ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleistet werde. »Dass Mitglieder der NPD sich offenbar militarisieren und zur Gewalt aufrufen, ist beunruhigend. Das wirft auch die Frage auf, inwiefern Flüchtlinge vor aggressiven Rechten geschützt werden können.«

Erst am vergangenen Montag wurde der Journalist Olaf Kampmann am Rande einer rechten Demonstration in Buch bedroht. Kampmann hat die Begegnung auf seinem Blog »Prenzlberger Stimme« (äußerst lesenswert) dokumentiert. So habe Christian Schmidt (NPD) ihm einen Platzverweis erteilen wollen. Kampmann schildert auch, wie ein »junger besorgte Bucher Bürger« ihn einzuschüchtern sucht und ihm vorwirft, auf seinem Blog Lügen zu verbreiten. Der Mann habe ihn und seinen Presseausweis abfotografiert. Die Polizei, die Kampmann zuvor aufgefordert hatte, Distanz zu wahren, »damit die Versammelten sich durch mögliches Fotografieren nicht provoziert fühlten«, habe »angestrengtes Desinteresse« gezeigt. Redner der Kundgebung verwiesen danach mehrfach auf ihn und seinen Blog: »Vielleicht kann man ihn ja mal (...) ansprechen, was er hier für Scheiße macht.«

Die Schöneweider Initiative »Uffmucken« erklärte am Donnerstag, rassistische Vorfälle vor einer Flüchtlingsunterkunft in der Salvador-Allende-Straße haben sich in letzter Zeit gehäuft. Mehrmals seien Gegenstände wie Böller gegen die Unterkunft geworfen worden. »In einem Fall gegen Scheiben, wo von außen zu sehen war, dass sich zu diesem Zeitpunkt gerade Kinder im betreffenden Raum versammelten.«

Innensenator Henkel erklärte im Parlament, dass man alles, was unter dem Denkmantel von Demonstrationen geschehe sowie Schmierereien und Drohbriefe gegen Flüchtlinge sehr ernst nehme.

An diesem Freitag ist laut »Uffmucken« wieder ein Aufmarsch von Flüchtlingsgegnern im Allende-Viertel geplant, der maßgeblich von der NPD gesteuert werde. »Am 15. November beteiligten sich an so einem Aufmarsch 400 Personen, von denen etwa 300 rassistische Anwohner und etwa 100 Neonazis aus Berlin und Brandenburg waren. Letztere stellten die Ordnerstruktur und bedrohten am Rande Journalisten und kritische Anwohner«, so die Initiative. »Es ist endlich an der Zeit, dem Bündnis aus organisierten Neonazis und rassistischen Anwohnern etwas entgegen zu setzen«, fordert Sprecherin Tina Böhm. Das »Netzwerk für Demokratie und Respekt« mobilisiert seinerseits für den kommenden Montag zu einer Demonstration nach Buch.

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