Wer trägt die Altlasten von Eon?

Umweltministerin Hendricks (SPD) sieht Konzern in der Verantwortung / Gabriel: Keine höheren Strompreise zu erwarten / Grüne: Gesetz gegen Vergesellschaftung der Kosten

  • Lesedauer: 4 Min.
Nach dem Eon-Kurswechsel wachsen die Sorgen, dass sich Atomkonzerne aus der Verantwortung für die Hinterlassenschaften stehlen. Die SPD sieht da keine Gefahr. Doch das reicht der Opposition nicht.

Update 12.50 Uhr: Eon-Chef Johannes Teyssen hat den Verdacht zurückgewiesen, der Energiekonzern wolle sich durch den Radikalumbau aus der Verantwortung für die Altlasten der Kernenergie stehlen. «Das ist nicht unser Motiv», sagte Teyssen dem «Handelsblatt» (Dienstag). Die neue Gesellschaft werde finanziell so solide aufgestellt sein wie keine andere in Europa.

Teyssen betonte, durch die Aufspaltung werde Eon zukunftsfähiger. Der bisherige Konzern wäre «in keiner der beiden Welten, der klassischen Versorgung und der Energiewelt, ein herausragendes Unternehmen geworden», sagte Teyssen. «Das wäre eine epochale Gefahr gewesen.» Denn in beiden Welten werde Eon im Laufe der Zeit starken Unternehmen begegnen. «Wenn wir dann halbgar aufgestellt wären, würden wir untergehen». In der neuen Aufstellung glaube er an das langfristige Überleben beider Unternehmen.

Der Eon-Konzernbetriebsratschef Eberhard Schomburg bekräftigte unterdessen, dass der Umbau nicht zulasten der Beschäftigten gehen solle. «Betriebsbedingte Kündigungen sind faktisch bis 2018 ausgeschlossen», sagte er der Rheinischen

Update 11.15 Uhr: «Die angekündigten Maßnahmen zur Umstrukturierung bei Eon kommen mehr als zehn Jahre zu spät», erklärt Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg bei der LINKEN. Es müsse geklärt werden, ob die von den Energiekonzernen anglegeten Rückstellungen für die Atommüll-Entsorgung trotz der massiven Probleme bei Eon noch sicher sind. Zdebel vermutet, Eon könnte durch die angekündigte Trennung seines Geschäfts mit fossiler Energie eine staaliche Bad Bank vorbereiten. In diesem Zusammenhang erinnerte die Linkspartei daran, dass die Atomkonzerne noch im Frühjahr eine staatliche Stiftung ins Spiel gebracht hatten, die sich um die Entsorgung und Lagerung des Atommülls kümmern solle. Die Atomkonzerne wollen dafür 36 Milliarden Euro zahlen, im Gegenzug aber keine weitere Kosten für den Atommüll und den Rückbau der Kernkraftwerke übernehmen. Die Bundesregierung dürfe sich jedoch auf keinen Deal einlassen, der die Konzerne aus ihrer Verantwortung entlässt, warnte Zdebel.

Update 10.20 Uhr: Grünen-Politiker Jürgen Trittin befürchtet beim Rückbau der Atomkraftwerke Mehrbelastungen für die Bürger. Der Energieversorger Eon will sein kaum mehr gewinnbringendes Hauptgeschäft mit Atom, Kohle und Gas abgeben. Bei mangelnden Rückstellungen und zu geringem Kapital solcher Gesellschaften «wäre die logische Folge, dass nicht nur der Einstieg in die Atomenergie massiv mit Milliarden von Steuergeldern subventioniert worden wäre, sondern auch die Abwicklung der Atomenergie am Ende vom Steuerzahler übernommen wird», kritisierte der Ex-Bundesumweltminister am Dienstag im Deutschlandfunk. Eon begründet den geplanten radikalen Umbau mit milliardenschweren Gewinneinbrüchen durch die Energiewende.

Update 9.30 Uhr: Der Umbruch in der Stromwirtschaft führt nach Angaben von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) keineswegs dazu, dass die Risiken alter Atomkraftwerke auf den Staat abgewälzt werden. «Auch im Falle einer Unternehmensaufspaltung bleibt die Industrie selbstverständlich verantwortlich, die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau der Atomkraftwerke sowie für die Entsorgung des Atommülls zu tragen», sagte Hendricks der «Rheinischen Post» (Dienstag). «Eine Verstaatlichung von Risiken nach jahrzehntelangen Gewinnen aus den Atomkraftwerken kommt nicht in Frage.»

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht keine Möglichkeit für Energiekonzerne, die Kosten für den Atommüll abzuwälzen. «Ich bin mir sicher, dass sich Konzerne, egal welche neue Gesellschaftsstruktur sie sich geben, nicht aus der gesetzlichen Verpflichtung stehlen können», erklärte Maas am Montagabend auf einer SPD-Regionalkonferenz in Neumünster (Schleswig-Holstein).

Deutschlands größter Energieversorger Eon hatte am Montag angekündigt, das kaum mehr gewinnbringende Hauptgeschäft mit Atom, Kohle und Gas abzugeben. Begründet wurde dies mit milliardenschweren Gewinneinbrüchen durch die Energiewende. Der hoch verschuldete Düsseldorfer Dax-Konzern will sich auf Erneuerbare Energien, Energienetze und intelligente Kundensysteme konzentrieren.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte, dass durch den Umbau bei Eon keine höhere Strompreise zu erwarten seien. «Die Entscheidung von E.on wird keinerlei Auswirkungen auf die Strompreise haben», sagte er der «Bild»-Zeitung (Dienstag). Zudem sei keine geringere Versorgungssicherheit zu befürchten. Eon werde sich «anders organisieren, aber nicht aus der Stromproduktion aussteigen».

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) fordert gesetzliche Regelungen, um zu verhindern, dass die Energieversorger in Deutschland die Atomkosten an den Staat abgeben. Man müsse «eine dauerhafte gesetzliche Pflicht verankern, die garantiert, dass die Konzerne sich nicht einfach aus ihrer Verantwortung mogeln können», sagte Wenzel der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (Dienstag). Die Konzerne hätten mit der Kernkraft «sehr, sehr viel Geld verdient. »Damit stehen sie in der Verantwortung für die angefallenen Altlasten und den entstandenen Atommüll. Niemand kann sich einfach davonmachen.«

Der CSU-Politiker Peter Ramsauer zeigte Verständnis für die Neuausrichtung der Stromwirtschaft, der er ein Abwälzen der Verantwortung beim Atommüll nicht unterstellen wolle. »Dennoch: Die Entsorgungsfrage muss geregelt werden«, sagte der frühere Bundesverkehrsminister der »Passauer Neuen Presse« (Dienstag). Ramsauer sprach sich für eine seit längerem diskutierte Lösung wie im Kohlebergbau aus. »Ein Stiftungsmodell wäre auch für die Bewältigung der Ewigkeitslasten im Bereich der Kernkraft eine denkbare Variante«, argumentierte Ramsauer. dpa/nd

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