Wohnen lassen statt wegsperren
Linkspartei legt Konzept für die Unterbringung von Flüchtlingen vor
Ein Behördenskandal und zwielichtige Geschäftspartner sind offenbar kein Grund zum Handeln: Einen TÜV für Flüchtlingsunterkünfte lehnt die Regierungskoalition ab. Ein entsprechender Antrag der Linkspartei im Sozialausschuss wurde abgewiesen - ohne Diskussion und Begründung. Obwohl selbst Sozialsenator Mario Czaja (CDU) angesichts der Affäre um das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) zugegeben hat, so ein TÜV wäre eine gute Idee.
Udo Wolf, Vorsitzender der Linksfraktion, spricht von einer »ideologisch bedingten Blockade« im Senat. Daran ändere auch der »Berliner Beirat für den Zusammenhalt« (BBZ) noch nichts, den Czaja ins Leben gerufen hat. Das Gremium mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und den Ex-Senatoren Heidi Knake-Werner (LINKE), Ingrid Stahmer (SPD) und Wolfgang Wieland (Grüne) soll die »Willkommenskultur verbessern« und Bürger in Kiezen mit Flüchtlingsheimen unterstützen, die helfen wollen. Für die LINKE sind die jüngsten Naziaufmärsche in Buch, Marzahn und Köpenick ein hausgemachtes Problem - weil Traglufthallen und Containerdörfer eben keine Lösung für die angespannte Lage seien.
Deshalb legt die LINKE jetzt nach: Am Dienstag präsentierte sie ein Konzept für die Berliner Flüchtlingspolitik. Erstellt hat es in ihrem Auftrag Günter Piening, bis 2012 Integrationsbeauftragter der Hauptstadt. Damals trat er zurück, weil er unter dem rot-schwarzen Senat nicht weiterarbeiten wollte. Nun meldet er sich wieder, auch weil er »die Überforderungsrhetorik« Czajas und seiner Kollegen nicht aushalte: »Der Senat beklagt sich und stellt gleichzeitig seine Politik als alternativlos dar - aber das ist sie nicht«, so der 64-Jährige.
»Wir haben nur deswegen einen Stau, weil Flüchtlinge nicht aus den Sammelunterkünften rauskommen - weil es einfach keinen Wohnraum gibt«, sagt Elke Breitenbach, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sozialer Wohnraum müsse gefördert werden, für Asylbewerber und andere Bedürftige: durch Vereinbarungen mit der Wohnwirtschaft und den städtischen Gesellschaften - und durch die Nutzung von Leerständen. Bis zu zehn Prozent der Sozialwohnungen sind zum Beispiel in Spandau unbewohnt. »Die Stadt hat nicht mal eine Übersicht, welche Gebäude in ihrem Besitz leer stehen«, meint auch Piening. Eine entsprechende Liste gehöre unbedingt zum Konzept. Bestehende Sammelunterkünfte könnten weiter genutzt werden - aber als integrative Wohnformen, sagt Breitenbach, und nennt das Flüchtlingshotel in Augsburg, allerdings das einzige Beispiel in Deutschland bisher.
»Wir müssen weg von der Selbstlüge: Die gehen ja alle wieder«, betont die LINKE-Abgeordnete. Integration von Anfang an durch Schulbesuch in regulären Klassen, Deutschkurse und durch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse sei unerlässlich. »Ein Dach über dem Kopf alleine ist noch kein Konzept.« Der Ex-Integrationsbeauftragte Piening macht klar, dass die Ressorts besser zusammenarbeiten müssen. Bisher agierten sie viel zu unkoordiniert. Eine Kommission könnte Abhilfe schaffen, Zuständigkeiten reformiert werden. Die Fragen des Aufenthaltes sollten zum Beispiel nicht länger der Ausländerbehörde, also dem Ressort Inneres unterstehen. Sondern dem Integrationssenat: »Wir müssen weg von einer repressiven, rein sicherheitspolitischen Perspektive.«
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