Protest gegen A100: Beats gegen Beton

Initiativen planen Rave gegen A100-Ausbau

Schon vor einem Jahr ravten Umweltschützer und andere vor der Elsenbrücke gegen den geplanten Autobahnausbau.
Schon vor einem Jahr ravten Umweltschützer und andere vor der Elsenbrücke gegen den geplanten Autobahnausbau.

Zigarettenkippen zwischen Holzdielen, rudimentäre Sitzgelegenheiten, bronzefarbener Rost am Gitter vor dem DJ-Pult – und über allem thronen mächtige Lautsprecher. Der Club »Else« unweit des S-Bahnhofs Treptower Park bedient sich großzügig bei der typischen Berliner leicht verlebten Ästhetik. Arm, aber sexy, wird hier Wochenende für Wochenende nicht nur gesagt, sondern gelebt. Doch damit könnte bald Schluss sein: Der Technoclub liegt auf der geplanten Strecke für den 17. Abschnitt der Autobahn A100. Wird das Bauprojekt realisiert, müssen die »Else« und mit ihr vier weitere stadtweit bekannte Clubs weichen.

»Die Clubs haben das heutige Bild von Friedrichshain mitgestaltet«, sagt Emiko Gejic, die sich bei der Clubkommission engagiert. Zusammen mit anderen Aktivisten gibt sie am Mittwochvormittag eine Pressekonferenz im Außenbereich der »Else«. »Bei der Kultur und in anderen Bereichen wird gekürzt, aber für einen Autobahnbau werden Milliarden bereitgestellt«, so Gejic.

Für den Samstag ruft ein Bündnis von Kiezinitiativen, Clubs und Umweltverbänden zum Protest gegen den Autobahnbau auf. Am Mittag sollen aus verschiedenen Teilen der Stadt Fahrradkorsos zu der Kundgebung am Treptower Park fahren. Dort soll dann zunächst ein Familienfest mit Kinderzirkus, Kinderdisco und Spielbereich stattfinden, bevor ab dem späten Nachmittag die Bässe übernehmen: Bis 22 Uhr wird auf zehn Bühnen Technomusik präsentiert. Bespielt von den Clubs, die vom Autobahnbau bedroht sind. Passend dazu auch das Motto der Demonstration: »A100 wegbassen«. Man rechne mit mindestens 5000 Teilnehmern, geben die Veranstalter an.

Der 17. Bauabschnitt der A100 soll den Autobahnbogen in der Innenstadt um vier Kilometer vom Treptower Park bis zur Storkower Straße erweitern. Verantwortlich für das Bauprojekt ist – wie bei allen Autobahnen – das Bundesverkehrsministerium. Zurzeit befindet sich der 16. Bauabschnitt durch Neukölln in der Fertigstellung. Der 17. Bauabschnitt steckt in der Planung, ein Termin für den Baubeginn wurde bislang nicht bekanntgegeben.

Die Verkehrsplaner im Bundesverkehrsministerium erhoffen sich von der Erweiterung der Autobahn, dass sich der Verkehr in den umliegenden Kiezen deutlich reduziert. Adelheid Rehmann von der Initiative Kungerkiez in Alt-Treptow glaubt, dass das Gegenteil kommen wird. »Mehr Autobahnen führen auch zu mehr Verkehr«, sagt sie. Von den Autobahnabfahrten fließe dieser dann in die Nachbarschaften. »Unser Kiez wird so zum Flaschenhals«, sagt sie.

»Wir haben jetzt schon genug Abgase«, klagt Rehmann. Statt Infrastruktur für den Autoverkehr aufzubauen, solle sich die Verkehrsplanung auf alternative Formen von Mobilität konzentrieren. »Autobahnen sollten der fossilen Vergangenheit angehören«, so Rehmann.

»Unser Kiez wird zum Flaschenhals.«

Adelheid Rehmann Klungerkiezinitiative

Eine »Mobilität jenseits der Autonormativität« wünscht sich auch Brit Beneke. Sie engagiert sich bei der »Bürgerinitiative A100«, die sich gegen die Autobahn einsetzt. Dass die neue schwarz-rote Bundesregierung den Autobahnausbau aus eigenen Stücken begräbt, hält sie für unwahrscheinlich. »Die neue Bundesregierung wendet sich von der Mobilitätswende ab«, sagt sie. »Wir werden uns daher noch lauter Gehör verschaffen.«

Für Nils Kleinwächter, Sprecher von Fridays for Future Berlin, ist die neue Autobahn vor allem ein Problem für die Umwelt. »Es geht um unser aller Leben«, warnt er. Denn die Autobahn verschärfe die Klimakrise. »Was haben wir von ein paar Minuten weniger Fahrtzeit, wenn dafür die Keller voll Wasser laufen?«, fragt er. Denn durch den Klimawandel häuften sich extreme Regenergüsse.

Sein Protest richtet sich nicht nur gegen den geplanten 17. Bauabschnitt – sondern gegen die gesamte A100. »Reißt die Autobahn einfach wieder ab«, fordert er. Stattdessen solle der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und neue Fahrradwege sollten verlegt werden.

»Wir glauben an eine andere Stadt – grün und erfüllt von Vogelgezwitscher statt Autolärm«, sagt Kleinwächter, während von der naheliegenden Elsenbrücke immer wieder lautes Hupen und Brummen zu vernehmen ist. Mit dem Autobahnbau würden die umliegenden Kieze weniger lebenswert. »Man zerstört das, was Berlin ausmacht«, warnt er.

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