Abschiebehaft wird ausgeweitet

Kabinett beschließt Verschärfung des Aufenthaltsrechts und schottet die Bundesrepublik weiter vor Flüchtlingen ab

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundesinnenministerium will abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Verbesserungen soll es nur für einige Migranten geben, die aus Sicht der Koalition als ökonomisch nützlich gelten.

Die Große Koalition verschärft ihre Maßnahmen im Umgang mit Flüchtlingen. Nach einem Beschluss des Kabinetts vom Mittwoch sollen Behörden künftig zwischen den Ausweisungsinteressen des Staates und den Bleibeinteressen des Betroffenen abwägen und den Gerichten eine Empfehlung geben. Hintergrund ist, dass Abschiebeentscheidungen zuletzt immer wieder von Gerichten kassiert wurden. Um Abschiebungen leichter abwickeln zu können, wird ein Abschiebegewahrsam eingeführt. Weil bei den betroffenen Personen eine Fluchtabsicht vermutet wird, können diese für vier Tage in Gewahrsam genommen werden.

Zahlreiche Nachrichtenseiten im Internet titelten, dass es sich bei den Betroffenen um »kriminelle Ausländer« handeln würde. In Wirklichkeit sollen in vielen Fällen Flüchtlinge bestraft werden, die aus Verzweiflung gegen Regelungen verstoßen haben. So können die Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten sowie die Täuschung der Identität Gründe für die Inhaftierung zum Zwecke der sogenannten Rücküberstellung sein. Ein weiterer Inhaftierungsgrund ist, wenn ein Schutzsuchender mit der Hilfe von Schleusern nach Europa gekommen ist und dafür einen »erheblichen Geldbetrag« gezahlt hat. Laut Gesetzestext gelten Beträge zwischen 3000 und 20 000 Euro pro Person als Indiz für eine Einschleusung.

Pro Asyl bezeichnete diese Regelung als »hanebüchen«. Die Organisation wies darauf hin, dass es für viele Flüchtlinge, die zum Beispiel über Balkanstaaten nach Deutschland einreisen wollten, keine legalen Wege gebe. »Kaum jemand kann ohne die Aufwendung erheblicher Geldbeträge nach Deutschland kommen«, hieß es in einer Mitteilung von Pro Asyl.

Um Flüchtlinge fernzuhalten, werden zudem Möglichkeiten der Wiedereinreise eingeschränkt. Wenn Betroffene beispielsweise ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, kann daraufhin ein Einreiseverbot verhängt werden. Pro Asyl warnte davor, dass sich die Wiedereinreisesperren auch gegen Schutzsuchende »aus angeblich sicheren Herkunftsstaaten« richten würden. Wenn diese nach einer Abschiebung und einer etwaigen Verfolgungssituation erneut eine Flucht versuchen, können sie in jedem Schengen-Staat als Kriminelle inhaftiert werden.

Einige Verbesserungen soll es hingegen für diejenigen geben, die trotz der oft alltäglichen Diskriminierung in Deutschland eine Arbeit gefunden haben, mit der sie ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst sichern können. Zudem müssen sie die deutsche Sprache beherrschen. Wenn Ausländer ohne klaren Aufenthaltsstatus diese Voraussetzungen erfüllen, können sie künftig unabhängig von einem gesetzlichen Stichtag ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Allerdings müssen sie sich als Erwachsene seit mindestens acht Jahren in Deutschland aufhalten oder seit mindestens sechs Jahren, wenn sie minderjährige Kinder haben. Für Jugendliche wurde die Frist auf vier Jahre herabgesetzt. In Deutschland leben etwa 100 000 sogenannte Geduldete. Rund 28 000 von ihnen sind seit acht Jahren hier. Sie haben kein Aufenthaltsrecht zugesprochen bekommen, können aber auch nicht abgeschoben werden, weil ihre Identität ungeklärt ist oder das Herkunftsland sie nicht wieder einreisen lässt.

Die LINKE-Abgeordnete Ulla Jelpke nannte die Vorhaben eine »Politik der Abschreckung und Ausgrenzung«. Auch die Grünen kritisierten den Entwurf. Laut Regierung ist keine Zustimmung des Bundesrats notwendig. Dort wären Union und SPD auch auf die von den Grünen mitregierten Länder angewiesen gewesen.

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