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Bestseller statt schöngeistige Vielfalt

Die Zentral- und Landesbibliothek soll Bücher künftig in »öffentlich-privater Partnerschaft« ankaufen

  • Jörn Boewe
  • Lesedauer: 3 Min.
Das neue Beschaffungskonzept der Einrichtung lässt Kritiker fürchten, dass sich die Zahl der Buchtitel drastisch reduzieren wird. Dafür soll es Bestseller künftig gleich mehrfach geben.

Als Klaus Wowereit am Donnerstag sein Amt als Regierender Bürgermeister niederlegte, gab er zugleich seine Funktion als Kultursenator ab. Den anderthalb Millionen Nutzern der Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) hinterließ er aber noch ein Abschiedsgeschenk. Mit deren breiten Angebot an schöner und wissenschaftlicher Literatur könnte es nämlich bald vorbei sein. Nach einem Beschluss des ZLB-Stiftungsrat sollen künftig 80 Prozent der Bücher im sogenannten »Massengeschäft« als vorkonfektioniertes Komplettpaket von einer externen Einkaufsgesellschaft bezogen werden. Personalrat, Mitarbeiter und Experten kritisieren die Neuausrichtung und befürchten eine inhaltliche Verflachung hin zu einer reinen »Bestseller-Bibliothek«.

26 000 verschiedene Buchtitel erwarb die ZLB im vergangenen Jahr in den sogenannten Massenfächern - ausgewählt von ihren eigenen Lektoren. Nach dem jetzt beschlossenen Konzept werden es künftig nur noch 14 000 sein. Diese wird die Bibliothek »regalfertig« vom Reutlinger Dienstleister ekz.bibliotheksservice geliefert bekommen. Damit das Budget trotzdem aufgebraucht wird, soll die ZLB 10 000 Exemplare aus dem ekz-Programm doppelt ankaufen. Alles in allem wird sich die Zahl der neu erworbenen Buchtitel um ein Drittel reduzieren. »Die besondere Vielfalt, die diese einzigartige Ressource in der Stadt auszeichnet, wäre damit dahin«, heißt es in einer Stellungnahme des Personalrats.

Begründet wird die Auslagerung in dem »nd« vorliegenden Konzept mit einem Zuwachs an »Kundenorientierung und Effizienz«. Auffällig an dem von den Bibliothekswissenschaftlern Konrad Umlauf und Cornelia Vonhof erarbeiteten Papier ist, dass darin ausschließlich die Vergabe an die ekz empfohlen wird - ohne Alternativen zu prüfen. Skurril mutet es an, wenn die Autoren erklären, »für diese Empfehlung seitens der ekz.bibliotheksservice GmbH keinerlei monetäre geldwerte Vergütungen oder Vorteile zu erhalten«. Was sie nicht erwähnen: Beide treten seit Jahren regelmäßig zum Beispiel als Referenten und Moderatoren bei Veranstaltungen der ekz auf.

Diese war bis vor wenigen Jahren eine Einrichtung im Besitz der Länder und Kommunen. 1947 war sie als Dienstleister für kleine und mittlere Bibliotheken gegründet worden, die sich keine eigenen Einkaufsabteilungen leisten können. Ab 2005 stieg die öffentliche Hand sukzessive aus. Inzwischen gehört das Unternehmen zu zwei Dritteln einem privaten Fonds, der vom ekz-Geschäftsführer Jörg Meyer, einem ehemaligen Bertelsmann-Manager, geleitet wird. Das Unternehmen liefert bundesweit nicht nur Bücher und andere Medien, sondern alles, was Bibliotheken so brauchen - vom Regal bis zum RFID-Sicherungschip. Der Überschuss lag 2013 bei 2,6 Millionen Euro. Obwohl das »Bücherpaket« der ekz auf kleinere und mittlere Bibliotheken zugeschnitten ist, versucht sie seit einigen Jahren, den »Markt« großstädtischer Zentralbibliotheken zu erschließen - etwa in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und jetzt auch Berlin. Für den Bibliothekswissenschaftler Peter Delin kommt die Entscheidung »schon einer Abwicklung nahe«. Der frühere ZLB-Lektor, der das Gutachten für den Personalrat mitverfasst hat, ist vor allem sauer, dass so eine Weichenstellung ohne öffentliche Debatte erfolgt. »Letztlich geht es um die Frage, was für eine Bibliothek die Berliner künftig haben werden«, sagt Delin dem »nd«.

Der Sprecher von Kulturstaatssekretär Tim Renner, Günter Kolodziej, hatte noch Anfang der Woche in der »taz« erklärt, ein Beschluss würde ihn »überraschen«. Tatsächlich stand der Punkt längst auf der Tagesordnung. Auf Nachfrage hieß es jetzt, die Entscheidung sei »selbstverständlich mit unserem Haus abgestimmt« gewesen und finde »die Zustimmung des Staatssekretärs«. Im Übrigen gehe es um »keine kulturpolitische Richtungsänderung, sondern eine Neuorientierung in der Logistik der ZLB«. Dass die Autoren des Konzepts, die Professoren Umlauf und Vonhof, als »ausgewiesene Bibliotheksspezialisten auch vom ekz als Referenten herangezogen werden«, spreche »für die Qualität dieses Anbieters«.

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