Weiter Unklarheit im Regal

Verbraucherschützer kritisieren neue Regeln für Angaben auf Verpackungen als unzureichend

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Ab Samstag gilt die neue Lebensmittelinformations-Verordnung in Deutschland. Verbraucherschützern geht sie nicht weit genug.

Wer nicht gut sieht, aber wissen möchte, welche Zutaten in Müsli, Limo oder Fertiggerichten stecken, hatte bislang ein Problem. Ohne Lupe waren Inhaltsangaben auf vielen Lebensmittelverpackungen kaum zu entziffern. Das soll sich ab Samstag ändern. Dann tritt die Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) in Kraft, die unter anderem die Schriftgrößen auf Saftkartons, Keksschachteln und Tiefkühlkostschachteln verbindlich vorschreibt. 1,2 Millimeter müssen die Buchstaben künftig mindestens groß sein - es sei denn, die Verpackungsoberfläche ist kleiner als 80 Quadratzentimeter. Dann sind es nur 0,9 Millimeter.

Immer noch viel zu klein für sehbehinderte Menschen, kritisieren Verbraucherschützer. Zudem seien nicht nur die Buchstabengröße, sondern auch Kontraste, Schriftfarbe und -art für gute Lesbarkeit wichtig. Rote Schrift hebt sich von blauem Hintergrund etwa kaum ab. Und auch sonst sei die 2011 von der EU beschlossene Verordnung auf halbem Wege steckengeblieben, bemängelt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). So gebe es keine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch in verarbeiteten Produkten. Die von Verbänden geforderte Ampelkennzeichnung, die auf einen Blick zeigt, ob ein Produkt stark fett-, salz- oder zuckerhaltig ist, wird ebenfalls nicht kommen. Ein Fortschritt sei aber, dass die Angabe des Salzgehaltes verpflichtend sei, so der vzbv.

Umweltverbände begrüßen, dass angegeben werden muss, aus welcher Quelle pflanzliche Fette gewonnen werden. Mathias Rittgerott von der Initiative »Rettet den Regenwald« sagt, dass Verbraucher endlich bewusst entscheiden könnten, ob sie Lebensmittel mit Palmöl kaufen wollen. Das nach Angaben des WWF in jedem zweiten Supermarktprodukt enthaltene Öl sorgt für Negativschlagzeilen, weil mit seiner Gewinnung die Abholzung von Regenwald und die Vertreibung von Indigenen einhergeht.

Positiv äußerte sich der vzbv über die bessere Kennzeichnung der 14 Hauptallergieauslöser - Gluten, Krebs- und Weichtiere, Eier, Fisch, Erdnüsse, Sojabohnen, Milch, Schalenfrüchte, Sellerie, Senf, Sesamsamen, Schwefeldioxid, Sulfite und Lupinen. Dass etwa Bäcker über Allergene in loser Ware nur mündlich informieren müssen, reicht dem Verband dagegen nicht. Eine schriftliche Dokumentation im Hinterzimmer, nach der Kunden erst fragen müssen, halten sie nicht für verbraucherfreundlich.

Und die Kunden wollen informiert werden: Anfang 2014 fragte TNS Emnid für das Bundesverbraucherschutzministerium (BMEL), welche Verpackungsangaben sich Kunden wünschen: 83 Prozent fordern eine lückenlose Zutatenliste, rund drei Viertel suchten nach Informationen über Tierschutz, Gentechnik und Herkunftsort. Gleichzeitig hatten über 80 Prozent kein Vertrauen in die Aussagen auf Verpackungen.

Ob die Neuregelung das Misstrauen beseitigt, ist fraglich. Dafür gibt es zu viele Schlupflöcher. So entfalle etwa die Pflicht zur Zutaten- und Nährwertangabe bei Produkten mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Promille, kritisiert der vzbv. Auch finden Verbraucher ab dem Stichtag nicht nur korrekt gekennzeichnete Waren in den Supermärkten. Bereits hergestellte Lebensmittel dürfen verkauft werden, bis die Lager leer sind.

Verbraucherschutzminister Christian Schmidt (CSU) sprach am Freitag dennoch von einem »Meilenstein für mehr Klarheit und Wahrheit bei der Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln«. Auf der Homepage des BMEL könnten sich Verbraucher über die neuen Regeln und Kennzeichnungen informieren.

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