Sabotage an klimafreundlicher Mobilität

Mit dem Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn werden Nachtzüge gestrichen. Monika Lege von Robin Wood kritisiert die Nachteile für Passagiere und Umwelt

  • Monika Lege
  • Lesedauer: 3 Min.

Jedes Jahr am zweiten Dezemberwochenende wechselt der Fahrplan der Deutschen Bahn (DB). Fahrgäste blicken dem Termin mit Bangen entgegen, denn meistens gibt es dann weniger Leistung für mehr Geld. Von 2003 bis 2015 sind die Fahrpreise im Fernverkehr der 2. Klasse um 39 Prozent, im Nahverkehr um 41 Prozent gestiegen. Der Preis für die BahnCard 50 stieg in diesen zwölf Jahren um satte 85 Prozent.

Dieses Jahr bleiben die Preise im Fernverkehr der 2. Klasse gleich, im Nahverkehr steigen sie um 1,9 Prozent. Doch dann passierte der DB ein PR-Gau: Aus dem Aufsichtsrat sickerten Überlegungen zur Abschaffung der BahnCard 50. Die DB dementiert wenig überzeugend. Bereits 2002 wollte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn in Vorbereitung des Börsengangs die BahnCard 50 abschaffen und Frühbuchersysteme, Rabatte je nach Auslastung und Vielfahrerkonten ähnlich Fluglinien einführen. Er scheiterte am Protest von Fahrgastverbänden. Die Vorlage für die Aufsichtsratssitzung am vergangenen Mittwoch skizziert genau diese Preisgestaltung. Sie orientiert sich an Großkunden und Vielfahrern auf Hauptstrecken zu Hauptverkehrszeiten. Für die alltäglichen Mobilitätsbedürfnisse der Mehrheit ist das keine Alternative zum Auto: jederzeit losfahren, überall hinkommen.

Der größte Einschnitt bei den Leistungen ist in diesem Jahr die Streichung von Nachtzügen. Die DB stellt zum Fahrplanwechsel die Nachtzüge aus Berlin, Hamburg und München nach Paris ein. Der letzte Nachtzug ab Amsterdam, Basel und Prag nach Kopenhagen fuhr bereits Ende Oktober. Die Verbindung von Berlin nach Amsterdam wird deutlich ausgedünnt. Übrig bleibt eine Nord-Süd-Achse, die osteuropäischen Eisenbahngesellschaften kümmern sich um den Rest

Laut DB haben Nachtzüge im Geschäftsfeld DB Fern 2013 ein Defizit von 18 Millionen Euro verursacht, davon drei Millionen durch den Kopenhagen-Zug und sechs Millionen durch den Paris-Zug. Doch im Defizit sind auch Trassen- und Stationsgebühren - in der Bilanz der DB finden sie sich als Einnahmen von DB Netze wieder. Ein geringer einstelliger Millionenbetrag hält als Begründung für massive Einschnitte ins europäische Nachtzugnetz her. Für das Bahnhofsprojekt »Stuttgart 21« hat der DB-Aufsichtsrat im März des vergangenen Jahres eine Kostensteigerung um 50 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro abgenickt. Dafür werden nachweislich Kapazitäten im Schienenverkehr abgebaut.

Nachtzüge sind die klimafreundliche Alternative zu innereuropäischen Flügen. Die Bundesregierung schreibt in ihrem in der vergangenen Woche verabschiedeten »Aktionsprogramm Klimaschutz«, dass der Verkehrssektor in den nächsten sechs Jahren sieben bis zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen muss. Es ist ein fatales Zeichen an die Privatwirtschaft, dass ausgerechnet die bundeseigene Bahn klimafreundliche Mobilität sabotiert.

Nachtzüge sind unverzichtbar für den Systemnutzen der Bahn im Personenverkehr. Ohne sie kostet die Fahrt ihre Kunden auf längeren Strecken einen zusätzlichen Tag und eine Hotelübernachtung. Viele werden ihre Reisegewohnheiten ändern und öfter im Flugzeug und auf der Straße unterwegs sein. Die Bahn will offensichtlich nicht, dass ihre Kunden sie als Alternative zu Auto und Flugzeug nutzen. Und Leute ohne Smartphone will sie schon gar nicht. Deswegen gibt es ab dem Fahrplanwechsel keine gedruckten Städteverbindungen mehr am Bahnhof.

Der Autoreisezug gen Süden fiel schon wie ein Blatt im Herbst. Die DB bietet nun den Autotransport per Lkw an. Werden die Lkw mit den Autos drauf über die Alpen auf die Schiene verladen? Rechnerisch steigert das die DB-Transportleistung.

42 Prozent der Menschen in Deutschland benutzen nie die Bahn. Rund um den Fahrplanwechsel klingt die Forderung »Bahn für Alle« ein bisschen wie eine Drohung. Aber sie ist das Versprechen einer klimafreundlichen, besseren Mobilität für jeden Tag (und jede Nacht).

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