Mieterbund enttäuscht von Schwarz-Rot

Präsident Franz-Georg Rips: Viele Ankündigungen, hehre Ziele, wenig Fassbarkeit

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mieterbund hat der Großen Koalition eine »durchwachsene« wohnungspolitische und mietrechtliche Bilanz für 2014 attestiert. Und hofft trotz aller Enttäuschungen weiter.

Die gute Nachricht zuerst: Wegen der stark gesunkenen Energiepreise und des milden Wetters können viele Mieter in diesem Jahr mit Erstattungen bei den Heizkosten rechnen, hat der Deutsche Mieterbund (DMB) ausgerechnet. Ernüchternde Randbemerkung: Die Bundesregierung hat daran keinen Anteil. Und die schlechte Nachricht: Schwarz-Rot hat sich bislang wohnungspolitisch generell nicht mit Ruhm bekleckert.

Das häufigste Wort, das Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips am Mittwoch in Berlin benutzt, heißt Enttäuschung. Zwar verbucht er die Mietpreisbremse bereits auf der Haben-Seite, weiß aber, dass von dem 2013 im Wahlkampf von Sozialdemokraten wie Unionspolitikern häufig im Munde geführten Instrument schon vor Verabschiedung im Parlament nicht mehr viel übrig geblieben ist. Bundesweit einheitlich? Fehlanzeige! Unbefristet? Denkste! Für alle Wohnungen geltend? Von wegen! Und Sanktionen bei Vermieterverstößen? Mitnichten! Trotz allem lobt der Präsident: »Damit wird erstmals eine zivilrechtliche Regelung geschaffen, die extreme Preissteigerungen bei der Wiedervermietung von Wohnungen verhindern kann.«

Kann - das allerdings ist nun von den Ländern abhängig, die über komplizierte Regelungen und mit ausufernden Begründungen einzelne Gebiete mit Wohnungsmangel ausweisen und dort für fünf Jahre auf besagte Bremse treten können. »Es wird Länder geben, die das Instrument einsetzen, andere werden das ablehnen«, erwartet Rips. Aber selbst darin sieht er eine Chance - die Evaluation der Wohnungsmarktsituation bei den einen wie den anderen werde die Wirksamkeit der Mietpreisbremse nachweisen. Irgendwann.

Ob irgendwann einmal aus dem vor sieben Monaten mit großem Tamtam von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) aus der Taufe gehobenen »Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen« mehr als ein Papiertiger wird, steht derzeit in den Sternen. »So stelle ich mir kein Bündnis vor«, sagt Rips desillusioniert unter Verweis auf ganze zwei Treffen, bei denen Vereine und Verbände über Statements nicht hinauskamen. Es gebe weder Arbeitsstrukturen noch Lösungsansätze. »Das Bündnis darf kein Alibi für die Politik sein, die notwendigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingen auf die lange Bank zu schieben«, meint der DMB-Präsident. »Die Bundesregierung ist in der Bringschuld.«

Das ist Schwarz-Rot auch in Sachen Wohngeld. Schließlich ist die zum 1. Juli 2015 angekündigte Wohngelderhöhung - die letzte gab es 2009 - zugunsten der Schwarzen Null von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf 2016 verschoben worden. Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten ist zwar froh, dass wenigstens inzwischen dafür ein Referentenentwurf aus dem Bauministerium vorliegt, doch ob das Wohngeld Anfang oder Mitte des nächsten Jahres aufgebessert wird, weiß bislang keiner. Und ob der oberste Kassenwart womöglich wieder den Daumen senkt, auch nicht. Das Nachsehen hätten über 900 000 einkommensschwache Haushalte im Land.

Für die hat die Wohnungspolitik von Schwarz-Rot ohnehin offenbar nicht sonderlich viel übrig. Die Klagen von Mietervertretern werden seit Jahren überhört. Dass 500 000 Wohnungen - insbesondere in Groß- und Universitätsstädten sowie Ballungsräumen - fehlen, ist längst bekannt. Ebenso wie die Berechnungen des Pestel-Institutes in Hannover, dass jährlich mindestens 250 000 neugebaute Wohnungen, davon mindestens ein Viertel für wenig Betuchte, gebraucht würden, um der Vergrößerung des Fehlbestandes entgegenzusteuern. Dass jährlich mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung herausfallen, als neu gebaut werden, gehört längst zum Allgemeingut.

»Bezahlbares Wohnen«, so Mieterbund-Präsident Rips beschwörend, »ist das entscheidende Thema für den sozialen Frieden in Deutschland.« In der Großen Koalition muss man das längst nicht so dramatisch sehen. Das kommt erst wieder 2017. In Wahlzeiten haben Mieterfragen stets politische Hochkonjunktur.

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