Auf Sachverständigengutachten nicht blind verlassen

Sorgerechtsentzug

  • Lesedauer: 2 Min.
Beim Sorgerechtsentzug dürfen sich die Gerichte nicht blind auf Sachverständigengutachten verlassen. Mit diesem Problem beschäftigte sich unlängst das Bundesverfassungsgericht.

Gebe es erhebliche Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens über die Kindeswohlgefährdung, müsse das Gericht diese »in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise ausräumen«. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem Beschluss (Az. 1 BvR 1178/14) vom 28. November 2014.

Die zwangsweise Trennung von den Eltern sei nur zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten nachweislich das Kind »in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig« gefährde. Nach dieser Entscheidung kann ein geduldeter Asylbewerber aus Ghana darauf hoffen, das Sorgerecht für seine mittlerweile fast zweijährige Tochter wiederzuerlangen.

Die Mutter der Tochter leidet unter gravierenden psychischen Problemen. Bereits während der Schwangerschaft mit der jüngsten Tochter ging die Beziehung des Paares in die Brüche. Die gemeinsame Tochter wurde kurz nach der Geburt in einer Pflegefamilie untergebracht.

Der Vater durfte sein Kind nur mit Begleitung einer Jugendamtsmitarbeiterin sehen. Das Sorgerecht wurde beiden Eltern entzogen.

Sowohl das Amtsgericht Paderborn als auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm stützten sich bei ihren Entscheidungen auf die Einschätzung einer Gutachterin. Doch das Gutachten wies zahlreiche offensichtliche Fehler auf, die die Gerichte nicht ausräumten.

So habe die Gutachterin gar nicht geprüft, ob bei einem Verbleib des Kindes bei den Eltern eine nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Nur bei einer bereits eingetretenen oder mit ziemlicher Sicherheit vorauszusehenden Gefährdung sei ein Sorgerechtsentzug zulässig.

Die Gutachterin habe die Erziehungsfähigkeit der Eltern geprüft. Eltern müssten aber ihre Erziehungsfähigkeit nicht unter Beweis stellen, mahnten die Karlsruher Richter an.

Auch die ghanaische Herkunft des Vaters floss negativ in das Gutachten hinein. So ging die Gutachterin davon aus, dass der Vater seine Beziehungen zur Mutter und zur Tochter instrumentalisiere, um in Deutschland einen Aufenthaltsstatus zu erlangen.

Die Gerichte hätten die fachliche Qualifikation der Gutachterin und die offensichtlichen Mängel klären müssen, rügte Karlsruhe. Das OLG Hamm muss nun erneut über den Fall entscheiden. epd/nd

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