Wutspaziergänge, Pflichtübungen, Werbegelegenheiten

Wie Demonstranten eingesammelt, mit Leitworten versehen und auf den rechten Weg gebracht werden sollen.

  • Arno Klönne
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Labels der Pegida-Bewegung sind sehr offen formuliert, gerade deswegen gelingt es den Rechten ihre Themen in dieser Bewegung unterzubringen. Doch auch das Label »Bunt« reicht nicht für einen linken Widerstand.

Pegida zerstreut sich. Aber der Hang zum Demonstrieren wird damit nicht am Ende sein. Das grundgesetzliche Recht zum »Versammeln unter freiem Himmel« ist in der deutschen Gesellschaft seit etlichen Jahren zunehmend in Anspruch genommen worden. Nicht nur von Unruhefans, sondern in Massen auch von »Normalos«. Verhaltensforscher und Kommentatoren in Sachen Politik deuten das als ein Zeichen dafür, dass die Bereitschaft zu demokratischem Engagement sich erfreulicherweise ausgebreitet habe - oder als bedenkliches Symptom einer Funktionsschwäche des parlamentarischen Systems. Die Wertungen hängen auch davon ab, ob den Bewertern die jeweiligen Anlässe und Inhalte der Demos in ihre eigenen Wünsche passen - oder nicht. Parteipolitisch: Ob sich hier Stimmen einsammeln oder abzweigen lassen. Unternehmerisch: Wie sich Demos für das Marketing auswirken.
Unternehmerischen Freunden der Atomenergie oder der Kohle zum Beispiel ist ein Aufruhr gegen Windkraftanlagen als »gutdemokratisch« willkommen, im Fall Gorleben oder bei Kohlekraftwerken galt ihnen der Protest als widerwärtig.

Kompliziert wird die Angelegenheit bei den aktuellen »Gida-Spaziergängen« und den Gegendemos, denn da ist die Gemütslage der TeilnehmerInnen ziemlich diffus, auch läßt sich auf Seiten der Politstrategen nicht so genau berechnen, wem diese Auftritte zu Gute kommen.
Pegida: Ums »Abendland« sollte es gehen, gegen eine »Islamisierung«; aber »fremdenfeindlich« wollte man nicht sein, auch nicht »rechtsaußen«. Die Nähe zur »Alternative für Deutschland« wurde als parteipolitische Chance gesehen; aber dann war es kontraproduktiv, dass die militante faschistische Szene absahnend sich einmischte. CDU-Politiker machen (einige recht zugreifend) den Versuch, rechte Wutbürger an sich zu ziehen; SPD-Konkurrenten wissen noch nicht so recht, wie sie mit dem Phänomen taktisch umgehen sollen. Einfach haben es die Grünen; Pegidaspaziergänger und verwandte Demonstranten bewegen sich völlig abseits ihres spezifischen, nennen wir es mal »linksliberalen« Milieus.

Und die Gegendemos, in den Teilnehmerzahlen eindrucksvoll? Sie stehen vorrangig unter den Leitworten »Für ein buntes Deutschland, für Toleranz und Weltoffenheit«. Diese Deklaration ist nicht gerade präzise, was freilich dem Sammeleffekt nützlich ist. Da können selbst moderat konservative Oberbürgermeister (die gibt es auch in der SPD) zur Demo aufrufen, sogar Schuldirektoren als pflichttreue Beamte die Beteiligung organisieren. »Gegen Fremdenfeindlichkeit« sind die (meisten) Unternehmer, Zuwanderer sind ihnen durchaus genehm, allerdings müssen diese zweckmäßig ausgewählt werden, es geht um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Bunt ist die deutsche Gesellschaft ohnehin, und warum nicht tolerant gegenüber hierzulande brauchbaren, für hiesige Bedürfnisse qualifizierten Immigranten, selbst wenn diese Muslime sind?
Der Reputation der Bundesrepublik im Ausland sind die Demos für »Buntheit« von Nutzen, politisch und außenwirtschaftlich. So eines der Kalküle.

Die Auftritte »für Offenheit und Toleranz« - zahllose Bürgerinnen und Bürger machen da mit, zumeist nicht aus kalkulatorischen oder taktischen Gründen.
Aber Probleme stecken auch in diesen Demos: Was soll den »Worten zum Sonntag« in der Alltagspolitik folgen? Auch hier regt sich ein so genannter Rand: Antifaschistische Gruppen melden sich zu Wort und Initiativen, die sich für Flüchtlinge einsetzen; sie sind der Meinung, die Floskel vom »bunten Deutschland« müsse auf ihre konkrete Bedeutung hin geprüft werden. Nicht alles, was auf Buntheit sich berufe, bürge deshalb schon für eine menschenwürdige, gegen den Rassismus und »bürgerliche Rohheit« angehende politische Praxis.

Ich finde: Das leuchtet ein.

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