Renzi und Tsipras - die täuschend ähnlichen Premiers

Italien und Griechenland setzen bei der Überwindung der Krise nur auf den ersten Blick auf dieselben Mittel

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Zypern war Italien die zweite Etappe der Europa-Reise des neuen griechischen Regierungschefs. Von Premier Renzi kann Tsipras jedoch nicht viel Hilfe erwarten.

Die Unterstützung Italiens bei den schwierigen Verhandlungen mit der EU und den Gläubigern zu suchen, ist aus griechischer Sicht keinesfalls abwegig. Italiens Premier Matteo Renzi hat sich des Öfteren für mehr Flexibilität in Sachen Haushaltskonsolidierung und Sparzwänge ausgesprochen. Er hat sich ebenso positiv zum Wahlsieg der griechischen Linkspartei SYRIZA geäußert. Mehr noch, in mehreren persönlichen Dingen ähneln sich Renzi und der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras: Sie sind beide 40 Jahre jung, zum Teil auch unkonventionell - Renzi ist mit einer Lederjacke bekannt geworden, Tsipras durch Krawattenverzicht - und beide sind mit dem Vorsatz angetreten, nicht nur ihre jeweiligen Länder, sondern auch Europa umzukrempeln.

Aber hier hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Renzi bewegt sich in Europa mit äußerster Vorsicht und möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass Italien in Schwierigkeiten steckt und auf die finanzielle Hilfe der europäischen Partner angewiesen sein könnte. Die Probleme des Landes spielt er gerne herunter und die Zukunft sieht er rosarot. Er möchte nicht als jemand gelten, der mit den griechischen »Schmuddelkindern« unter einer Decke steckt.

Überdies liegen einige der Vorhaben SYRIZAs absolut konträr zur Politik von Matteo Renzi. Während man in Griechenland die Privatisierungen stoppen will, setzt die italienische Regierung darauf. Tsipras kündigte Einstellungen im öffentlichen Dienst an, während Rom den gesamten Staatsapparat weiter verschlanken will. Mit dem neuen Arbeitsgesetz zielt Renzi darauf ab, für mehr Flexibilität auf dem italienischen Arbeitsmarkt zu sorgen, um es den Arbeitgebern (auch dem Staat) leichter zu machen, Beschäftigte zu entlassen.

Sandro Gozi, italienischer Staatssekretär und enger Mitarbeiter von Renzi, hat vor dem Besuch von Tsipras unterstrichen, dass »Italien Gläubiger von Griechenland« ist; er fügte hinzu, dass man »den Schuldner aber auf keinen Fall erdrosseln« wolle. Rom sei bereit, so sagte er weiter, »mit Interesse und ohne Vorurteile die Forderungen und Vorschläge von Alexis Tsipras anzuhören«.

Auch Ministerpräsident Renzi äußerte sich im Vorfeld zum Antrittsbesuch seines Kollegen. In Bezug auf Griechenland, so sagte er in einem Interview, sind »Ernsthaftigkeit, Vorsicht und Verantwortungsgefühl« notwendig. »Wir haben gesagt, dass wir die Wirtschaftspolitik in Europa ändern wollen und das nicht nur, um Griechenland zu helfen. Bei diesem Vorhaben stehen wir an vorderster Front und ich freue mich, dass immer mehr Menschen an unserer Seite kämpfen.« Im Klartext heißt das wohl, dass sich Renzi auf keinen Fall vor den griechischen Karren spannen lassen will, aber nicht ausschließt, in irgendeiner Form eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Wie er die Dinge nach dem Gespräch mit Tsipras sieht, blieb bis Redaktionsschluss offen. Wegen der Vereidigung des neuen Staatspräsidenten, dessen Wahl Italien in den vergangenen Wochen an den Rand einer politischen Krise brachte, trafen Tsipras und Renzi erst am Nachmittag zusammen.

Nichi Vendola, Chef der Partei SEL (Linke, Ökologie und Freiheit), die bei der Europawahl im vergangenen Mai gemeinsam mit SYRIZA angetreten war, äußerste sich in ganz anderen Tönen: »Ich meine, dass Tsipras in Europa Bündnispartner braucht und dass Renzi jetzt die Gelegenheit hat, einen seriösen Verbündeten zu finden, wenn es darum geht, die Vorherrschaft von Frau Merkel anzugreifen.« Auch bei Renzis Demokraten selbst wünscht sich der linke Flügel der Partei, dass »Tsipras nicht allein gelassen wird, weder in Bezug auf die Schulden noch bei der Reform des Euro«.

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