Prozess gegen Sebastian Edathy vertagt

Ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter wehrt sich gegen Vorwürfe, kinderpornografisches Material besessen zu haben / Verteidigung fordert Einstellung des Edathy-Verfahrens

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Verden. Der Kinderporno-Prozess gegen Sebastian Edathy hat mit einem Streit zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung begonnen. Nach nur anderthalb Stunden wurde das Verfahren vertagt.

Zum Auftakt des Kinderporno-Prozesses gegen den ehemaligen SPD-Bundestagabgeordneten Sebastian Edathy hat die Verteidigung eine Einstellung des Verfahrens gefordert. Grund sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, sagte der Verteidiger am Montag vor dem Landgericht Verden. Die Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen des Verdachts des Geheimnisverrats seien ein Verfahrenshindernis. Lüttig soll interne Ermittlungsdetails auch zum Fall Edathy an Journalisten weitergegeben haben. Außerdem seien weitere Ermittlungsverfahren wegen Durchstechereien eingeleitet worden, argumentierte der Anwalt. Immer wieder hätten Journalisten unter Hinweis auf Ermittlerkreise berichtet.

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Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy muss sich ab Montag vor Gericht verantworten, weil er sich über das Internet kinderpornografische Videos und Bilder besorgt haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mit seinem Dienstnotebook mehrfach einschlägige Bild- und Videodateien aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Zudem soll er ein Buch und eine CD mit Fotos besessen haben, die sie als jugendgefährdend einstuft. Der Fall sorgte auch deshalb für Aufsehen, weil der Verdacht besteht, Edathy könnte von Eingeweihten frühzeitig über die Ermittlungen gegen ihn informiert worden sein.

57 Politiker, Ermittler und Amtsträger in Niedersachsen sollen demnach von dem Verdacht gewusst haben. Entsprechende Unterlagen sollen dem NDR-Fernsehmagazin »Hallo Niedersachsen« vorliegen. Sie geben auch Aufschluss über die Wege, auf denen diese Personen informiert wurden, dass sich Edathys Name auf einer Liste im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen des Erwerbs von kinderpornografischem Material befindet.

Sebastian Edathy bestreitet die Vorwürfe. Im Fall einer Verurteilung drohen dem 45-Jährigen laut Gesetz bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Der Prozess findet am Landgericht Verden in Niedersachsen statt und ist bis Ende April angesetzt.

Chronologie: Was bisher geschah

7. Februar 2014: Edathy legt überraschend sein Bundestagsmandat nieder und gibt dafür gesundheitliche Gründe an.

10. Februar: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen und Büros durchsuchen, es fällt erstmals das Wort Kinderpornografie.

14. Februar: Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) tritt wegen der Edathy-Affäre zurück. Er hatte die SPD-Spitze im Oktober 2013 noch als Innenminister über den Pornografie-Verdacht informiert.

24. Februar: Die SPD leitet ein Parteiordnungsverfahren gegen Edathy ein.

2. Juli: Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Affäre startet. Er soll unter anderem klären, ob Edathy frühzeitig informiert worden ist. Es geht dabei auch um den Verdacht von Geheimnisverrat.

17. Juli: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt Anklage gegen Edathy wegen Besitzes von Kinderpornografie. Edathy streitet jedes strafbare Verhalten vehement ab.

29. August: Das Bundesverfassungsgericht weist Edathys Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Räumlichkeiten zurück.

18. November: Das Landgericht Verden, das für Edathys Wohnort Rehburg-Loccum zuständig ist, gibt bekannt, dass der Prozess gegen ihn am 23. Februar 2015 beginnen soll.

18. Dezember: Edathy wird als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages befragt. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt seit seiner Mandatniederlegung. Zuvor stellt er sich erstmals in einer Pressekonferenz auch den Fragen von Journalisten. Edathy sagt im Ausschuss aus, sein Parteifreund Michael Hartmann habe ihn regelmäßig über den Ermittlungsstand informiert - der bestreitet das am gleichen Tag im Ausschuss.

9. Januar: Die Staatsanwaltschaft Hannover lehnt die Einstellung des Prozesses gegen Geldauflage ab. Man sehe keine Möglichkeit dafür, das Verfahren wegen mangelnder Schwere der Vorwürfe gegen Geldauflage zu beenden. Edathys Verteidigung hatte dies beantragt. dpa/nd

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