Geld von Edathy nicht erwünscht

Kinderschutzbund will «Deal nicht gesellschaftsfähig machen»

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einem «Freikauf», wie er die Strafsache Edathy beendet habe, möchte der Kinderschutzbund Niedersachsens nichts zu tun haben. Deshalb will er die 5000 Euro nicht, die der Ex-Politiker zahlen soll.

Um Kinderpornografie, um Filme und Bilder von nackten Jungen war es gegangen im Fall Edathy, im Strafprozess ohne Strafe. Wahrscheinlich deshalb sollte eine Organisation, die sich für die Rechte von Kindern und gegen deren sexuellen Missbrauch einsetzt, die Geldbuße des Ex-Politikers bekommen: der Kinderschutzbund Niedersachsen. An ihn habe der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete 5000 Euro zu überweisen, das war die Bedingung des Landgerichts Verden für die Einstellung des Verfahrens. Doch die Kinderschützer verweigern die Annahme des Geldes.

Kurz nach dem Richterspruch, als Sebastian Edathy das Justizgebäude als «nicht vorbestraft» verlassen hatte, erklärte der Kinderschutzbund am Montag: Wir nehmen das Geld an, wollen es für Präventionsarbeit im Bereich sexuellen Missbrauchs verwenden. Doch nach reiflicher Überlegung und Diskussion im Vorstand habe man sich sich gegen die 5000 Euro entschieden, berichtet der Vorsitzende des Kinderschutzbundes, Johannes Schmidt, im Gespräch mit «nd».

«Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass in Verden ein Verfahren zum Freikauf gelaufen ist», betont Schmidt, und: Der Kinderschutzbund wolle «diesen Deal nicht gesellschaftsfähig machen». Auch die Öffentlichkeit könnte es als verfehlt ansehen, wenn sich die Organisation «an diesem Geld bedient» und damit Projekte der Opferarbeit unterstützt. Der Kinderschutzbund genieße Ansehen als moralische Instanz«, und es sei »wie ein Widerspruch« dazu, wenn er eine Zahlung von Sebastian Edathy annähme.

Das Strafverfahren um den Ex-Politiker und die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage - das erinnere ihn irgendwie an den kirchlichen Ablasshandel im 15. Jahrhundert, bemerkt Johannes Schmidt und zitiert den Dominikanermönch Johann Tetzel. Der versprach seinerzeit die Vergebung aller Sünden gegen Geldzahlung und reimte mit Blick auf seine Sammelkiste: »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt.« Schmidt sieht durchaus eine Parallele zum Edathy-Verfahren. Da mache der Kinderschutzbund nicht mit. Dessen Vorstand hat mittlerweile das Landgericht Verden gebeten, eine andere gemeinnützige Einrichtung als Empfängerin des Edathy-Geldes zu benennen. Welche das sein wird, ist noch offen. Wäre Sebastian Edathy schuldig gesprochen und zur Zahlung von Geld an den Kinderschutzbund verurteilt worden, »dann hätten wir das Geld angenommen«, sagt der Vorsitzende. »Denn dann wäre das eine regelrechte Strafe gewesen.«

Dass der Ex-Abgeordnete mit einer Einstellung des Verfahrens davongekommen ist, stößt dem Schutzbund sauer auf. Johannes Schmidt meint, die Entscheidung des Gerichts könnte potenziellen Konsumenten von Kinderpornografie signalisieren: Das strafrechtliche Risiko bei der Suche nach derartigen Filmen und Bildern im Internet ist gering. »So ein Signal kann verheerende Auswirkungen haben.«

Der Bundesverband des Kinderschutzbundes unterstützte die Entscheidung. Diese sei richtig angesichts des »arroganten und uneinsichtigen Verhaltens« von Edathy, sagte Präsident Heinz Hilgers der »Rheinischen Post«. Verärgert über die Einstellung des Verfahrens zeigte sich auch der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker. Man dürfe nicht übersehen, dass Kinderpornografie etwas Kriminelles ist, sagte er dem NDR. Becker teilt die Meinung des Kinderschutzbundes: Edathy hat sich in Verden vom Kinderpornografie-Vorwurf freikaufen dürfen.

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