Glückskleeblatt

Bilderbuchfamilie mit Bilderbuchsorgen

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Johanna und Florian, beide 29, sind seit acht Jahren zusammen, seit fünf Jahren verheiratet. »Kinder waren nie Teil meines Lebensplanes«, sagt Johanna. Töchterchen Dshamila, kräht prompt nach Aufmerksamkeit. Gerade drei Wochen alt ist das zweite »ungeplante Wunschkind«. So nennt die Tierärztin ihre zwei Kinder. Sohn Vincent ist anderthalb und ebenso »ungeplant« wie seine Schwester.

Darin, keine Kinder zu wollen, waren sich Johanna und Florian, die sich seit 13 kennen, immer einig. Darin, beide Kinder zu bekommen, auch. Mutter, Vater, großer Bruder, Schwesterchen. Eine Bilderbuchfamilie.

Die gebürtige Berlinerin wohnt seit knapp zwei Jahren wieder in der Heimatstadt. Aus Coburg zurück gezogen ist sie, weil hier ihre Eltern leben: »Wenn du Kinder hast und arbeiten willst, wird es schwierig ohne Eltern, die dich dabei unterstützen können, in der Nähe zu haben.« Zeit gegen Geld lautete das Motto für den Umzug. Sowohl sie als auch ihr Mann haben in Süddeutschland besser verdient als in Berlin. Dshamila ist inzwischen eingeschlafen. »Zwei Stunden Ruhe«, grinst Johanna. Und erzählt von den ersten Wochen mit Kind. Florian hat Glück gehabt mit seinem Arbeitgeber. Der hat ihm ein paar Wochen vor der Geburt »spontane« Urlaubszeit zugesichert, die er nehmen kann, sobald das Kind kommt. Das war wichtig, denn vom »Verwaltungsakt Kindsgeburt«, waren sie beide überrascht. Kitaplatzfristen, Anträge, Elternzeitrechnungen. »In Deutschland ein Kind zu bekommen, ist Papierkrieg.«

Die Kita für Vincent kostet im Monat 150 Euro, dazu kommen 33 Euro für Mittagessen und »Vespergeld«. Die Miete für die Vierraumwohnung liegt bei rund 700 Euro im Monat. Johanna bekommt jetzt, beim zweiten Kind, 700 Euro Elterngeld. Als angestellte Tierärztin ist das Grundgehalt niedrig. Erst durch Zuschläge für 24-Stundenschichten, Nacht- und Wochenenddienste ergibt sich ein Monatslohn, der ausreicht. Das ist in diesem Beruf keine Ausnahme, aber mit Familie kaum mehr zu machen. Nach der Elternzeit, die sie sich mit ihrem Mann teilt, Halbzeit zu arbeiten, kommt nicht in Frage. »Wie sieht das denn aus: Ich arbeite vielleicht drei Tage die Woche, dann eine 24-Stundenschicht. Danach habe ich dann zwar frei, bin aber den Tag über zu nichts zu gebrauchen.« Dazu dann noch Wochenenddienste: Wie in zahllosen anderen Berufen heißt Halbzeit auch hier nicht »halbtags«. Die Zeit, die die Kinder im Kindergarten sind, könnte sie auf diese Weise auch nicht verkürzen. Vincent ist über neun Stunden in der Kita, logisch, wenn die Eltern Vollzeit arbeiten.

Sie werde sich deshalb einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, sagt Johanna. Entweder besseres Gehalt oder bessere Arbeitszeiten, eins von beidem müsse sein. Verhältnismäßig wenig Geld bei Nacht- und Wochenenddiensten, das gehe auf Dauer nicht. »Du willst ja was von deinen Kindern haben.« Sarah Liebigt

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