Handschlag trotz Krise

Torgau feiert 70. »Elbe Day« etwas kleiner

  • Hendrik Lasch, Torgau
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 25. April 1945 trafen sich in Torgau sowjetische und US-Soldaten. Auch der 70. Jahrestag wird gefeiert - wenn auch wegen der Krise in der Ukraine weniger spektakulär.

Sie waren nicht ganz die ersten: Als sich am 25. April 1945 nachmittags die Leutnants Alexander Silwaschko und William Robertson auf der erst morgens gesprengten Elbebrücke von Torgau die Hände reichten, hatte es schon zwei Treffen von sowjetischen und US-amerikanischen Soldaten gegeben. Geschichte freilich schrieben nicht Begegnungen in Lorenzkirch und Kreinitz, die früher an jenem Tag stattfanden, sondern der Handschlag von Torgau, der zwei Tage später für ein Foto nachgestellt wurde. Das Bild belegte, das sich Ost- und Westfront berührten und das Ende des II. Weltkriegs sehr nahe gerückt war.

Der »Elbe Day« wird in Torgau seit langem groß gefeiert. Es gibt Treffen von Zeitzeugen, ein Kulturprogramm und viel Spektakel. Ein Höhepunkt ist stets eine Nachstellung des Händedrucks. »Die gibt es auch zum 70. Jahrestag«, sagt René Vetter, Sprecher der Stadt. 20 Darsteller in historischen Uniformen werden die rote Fahne mit Hammer, Sichel und Stern und das Sternenbanner schwenken und sich nach einer Elbquerung per Schwimmpanzer die Hände reichen. Die Szene sei ein »Symbol, das um die Welt gegangen ist«, sagt Vetter.

Allerdings wird das Programm um zwei Punkte reduziert, die zu runden Jahrestagen bisher stets für Aufsehen gesorgt und mit dazu beitrugen, dass bis zu 20 000 Besucher anreisten. Alle fünf Jahre wurde am Vortag des Elbe Day die Patrouille nachgestellt, die Robertsons Trupp von Leipzig über Wurzen nach Torgau führte. Sie entfällt diesmal. Auch ein Biwak, bei dem auf den Torgauer Elbwiesen historische Militärfahrzeuge zu sehen sind, gibt es in diesem Jahr nicht.

Zum Verzicht auf die Patrouille hat sich der Verein Militärhistorik Zeithain durchgerungen. Die Oldtimerfreunde verweisen auf die Krise in der Ukraine. Zeitungen wie die Chemnitzer »Freie Presse« zitieren Rüdiger Schwark, den Chef des Vereins, mit der Aussage, der »Friedenskonvoi« könne in der aktuellen Lage »zu Missverständnissen führen und als Kriegsverherrlichung interpretiert werden«. Eine Anfrage des »nd« ließ der Verein unbeantwortet. Rathaussprecher Vetter sagte, man akzeptiere die Entscheidung. Zugleich widersprach er einer Aussage der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag. Sie hatte mitgeteilt, der Programmpunkt sei »von der Stadtverwaltung gestrichen worden«, und davor gewarnt, Russland als »neues Feindbild« aufzubauen.

Daran ist in Torgau keinem gelegen. Zu den Feierlichkeiten seien erneut Veteranen oder deren Nachfahren »aus allen beteiligten Nationen« eingeladen, sagt Vetter, der mit Gästen aus den USA ebenso rechnet wie mit einer größeren Gruppe, die aus Moskau anreisen werde. An der Gedenkveranstaltung sollen sowohl der russische als auch der US-Botschafter in Deutschland teilnehmen und Reden halten. Ob sie sich die Hand geben, ist offen; ebenso wie die Frage, ob Diplomaten der Ukraine kommen oder wie im Jahr 2014 fernbleiben. Unklar ist auch, ob die Bundes- und die sächsische Staatsregierung bei der Feier prominent vertreten sein werden. Anfragen aus Torgau gibt es.

Geht es nach der Stadt, soll von den Feierlichkeiten ein Signal für Frieden ausgehen. Deshalb verzichtet man auf die Präsentation der Militärtechnik, die als unpassend angesehen wird in einer Zeit, in der die USA über die Lieferung von Waffen an die Ukraine nachdenken und russische Truppen Manöver in deren Grenznähe veranstalten. Lieber bringt man Friedensbriefe an der Brücke an und lässt Friedenstauben fliegen. Im Rathaus hofft man, dass zahlreiche Gäste auch trotz der veränderten Situation kommen - oder vielleicht gerade deshalb.

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