Gläubiger schauen in Athens Bücher

Vertreter von EZB, IWF und EU-Kommission nehmen Gespräche mit SYRIZA-geführter Regierung auf / Finanzminister Varoufakis: Sie bekommen alle Informationen die sie brauchen - aber nicht die alte »Troika-Politik«

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Update 7.45 Uhr: Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht hat die Bundesregierung davor gewarnt, ihren Kurs in der Krisenpolitik gegen Griechenland fortzusetzen. »Mit ihrer Weigerung, die Kredite an die griechische Regierung auszuzahlen, schneidet sich die Eurogruppe in erster Linie ins eigene Fleisch. Wenn die Gläubiger diese Kredite nicht gewähren, werden sie damit leben müssen, dass ihre alten Kredite nicht bedient werden. Dann wird offenkundig, dass auch Milliarden deutscher Steuergelder verloren sind, weil sie für eine falsche und verantwortungslose Politik verschleudert wurden«, sagte die Bundestagsabgeordnete. Sie verwies darauf, dass »die Verantwortung für dieses Desaster« Kanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble tragen würden, nicht die SYRIZA-geführte Regierung in Athen. Diese habe »den gigantischen Rettungskrediten für Banken und korrupte Oligarchen, für die man die griechische Bevölkerung jetzt weiter bluten lassen will, nie zugestimmt«. Wagenknecht kritisierte zudem, dass die Eurogruppe nicht bereit sei, »der griechischen Regierung jene Atempause zu verschaffen, die sie zur Verbesserung des Steuervollzugs und zur Heranziehung des Vermögens der Superreichen benötig«. Statt einer Linksregierung den Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft zu ermöglichen, wolle man »die verhassten Troika-Beamten wieder nach Athen schicken, damit die Ausplünderungspolitik zugunsten korrupter Oligarchen fortgesetzt werden kann«. Wagenknecht nannte es »eine Schande«, dass auch deutsche Sozialdemokraten wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann »stur an einem Programm festhalten, dass die griechische Bevölkerung ins Elend gestürzt hat«.

Vertreter von EZB, IWF und EU-Kommission nehmen Gespräche mit SYRIZA-geführter Regierung auf

Berlin. Vertreter der griechischen Regierung und der Institutionen der europäischen Gläubiger nehmen in Brüssel schon am Mittwoch wieder Gespräche auf. Darauf einigen sich die Finanzminister der Eurogruppe am Montagabend. Die Kreditgeber wollen zudem »technische Teams« nach Athen entsenden. EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) wollen sich so einen Überblick über die tatsächliche Kassenlage in Athen machen.

Finanzminister Yanis Varoufakis betonte, trotz der Rückkehr der Experten nach Athen gehörten Kontrollen »mit Technokraten der drei Institutionen, die im Gleichschritt in unsere Ministerien laufen«, der Vergangenheit an. Die Experten der drei Institutionen seien aber in Griechenland willkommen, und sie würden »alle Informationen« bekommen, die sie benötigten. Die Kreditgeber gestanden in den vergangenen Wochen zu, das Trio offiziell nicht mehr »Troika« zu nennen. Varoufakis sicherte eine umfassende Zusammenarbeit zu. »Wir werden uns bemühen, alles Nötige zu tun, um die Institutionen mit den Informationen zu versorgen, die sie brauchen«, sagte er.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte am Montagabend, »wir haben zwei Wochen mit Diskussionen darüber verbracht, wer wen wann und wo trifft. Das war komplette Zeitverschwendung.« Dijsselbloem bekräftigte, ohne Vorlage des gesamten geforderten Maßnahmenpakets werde Griechenland keine Kredittranchen ausbezahlt bekommen - und die Umsetzung der Reformen müsse dann auch schon sichtbar begonnen haben. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte, entscheidend sei, dass das Land seine eingegangenen Verpflichtungen »in die Tat umsetzt«, indem sie zu »wirksamen Entscheidungen, sei es auf parlamentarischer oder Verwaltungsebene, werden«. Dazu sei die »technische Arbeit« mit den drei Institutionen notwendig, die »nicht unbedingt einfach« werde.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verlangte von der SYRIZA-geführten Regierung in Athen, »einseitige Veränderungen« zu unterlassen, die nicht »mit der Troika« abgestimmt sind. Zunehmende Sorgen bereitete derweil die Haushaltslage in Athen - auch deshalb drängt Brüssel darauf, dass die Gläubiger-Experten wieder Einblick in die Bücher bekommen. Im März steht die Rückzahlung von Schulden von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds an. Athen zufolge ist dies zwar kein Problem, nach Medienberichten hat der griechische Staat aber mit massiven Einnahmeausfällen zu kämpfen.

Bei Treffen aller 28 EU-Finanzminister am Dienstag (10.00 Uhr) steht Griechenland zwar nicht auf der Tagesordnung, dürfte aber am Rande zur Sprache kommen. Die Ressortchefs wollen den Plan der EU-Kommission absegnen, wonach Frankreich zwei Jahre mehr - und damit bis 2017 - Zeit zum Sparen bekommen soll. Paris sicherte dafür zusätzliche Einsparungen von vier Milliarden Euro für das laufende Jahr zu. Die Ressortchefs wollen zudem die geplante milliardenschwere Wachstumsinitiative zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft billigen. Das Vorzeigevorhaben von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker soll Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Euro anschieben. Das Europaparlament muss ebenfalls noch zustimmen. Agenturen/nd

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