Der Wunsch nach echter Teilhabe

Behindertenverbände stellen Forderungen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehrere Verbände haben die Große Koalition davor gewarnt, bei dem geplanten Bundesteilhabegesetz wegen finanzieller Vorbehalte auf echte Verbesserungen für behinderte Menschen zu verzichten.

Menschen mit Behinderung sind in nahezu allen Gesellschaftsbereichen benachteiligt. Das gilt für das Wohnen sowie für Kultur, Bildung, öffentlichen Nahverkehr und die Politik. Obwohl ein Gesetz, welches die Lage dieser Menschen verbessern soll, seit einigen Jahren im Gespräch war, ist lange nicht viel passiert. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die schwarz-rote Bundesregierung Ende 2013 immerhin einige Verbesserungen für die Betroffenen versprochen, zum Beispiel bei der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Derzeit ist ein Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung in Planung. Doch noch ist unsicher, wie dieses genau ausgestaltet wird. Dabei geht es vor allem ums Geld. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen und der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband warnten nun in einer gemeinsamen Erklärung davor, dass »dringend notwendige Reformen finanziellen Vorbehalten zum Opfer fallen könnten«.

Als sicher gilt, dass die Große Koalition die Kommunen bei der Neuregelung der Eingliederungshilfe jährlich um fünf Milliarden Euro entlasten will. Diese Hilfe soll behinderten Menschen den Zugang zum gesellschaftlichen Leben erleichtern. Bezahlt werden medizinische Rehaleistungen, Hilfen zur Arbeit und Unterstützung zum Besuch von kulturellen und sozialen Veranstaltungen oder Gruppen. Die Ausgaben der Kommunen für die Eingliederungshilfe sind seit Jahren gestiegen. Sie liegen bundesweit bei etwa 13 Milliarden Euro für rund 750 000 Menschen. Bis zum Jahr 2020 sollen sie Prognosen zufolge auf rund 19 Milliarden Euro für etwa 900 000 Betroffene steigen.

Achim Meyer auf der Heyde, Vorstandsmitglied im Paritätischen Gesamtverband, erklärte vor Journalisten in Berlin, dass die Koalition letztlich nicht nur über diese finanzielle Entlastung der Kommunen entscheiden solle. Verbesserungen für Menschen mit Behinderung dürften nämlich nicht weiter aufgeschoben werden. Es gehe um »die echte und volle Teilhabe von Menschen mit Behinderung, ob in Schule und Ausbildung, Arbeitsleben oder Freizeit«. Meyer auf der Heyde sah hierfür durch das geplante neue Gesetz durchaus Chancen. Die Verbände legten einen entsprechenden Forderungskatalog mit 14 Punkten vor. Dazu zählen der gleichberechtigte Zugang zu allen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und flächendeckende kostenlose Beratungsangebote.

Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Einführung eines Bundesteilhabegeldes, das unabhängig von den sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gewährt werden soll. Die Betroffenen sollen über dieses Geld selbst verfügen können. Hans-Werner Lange, Vizepräsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, wies darauf hin, dass dies nicht als eine Sozialhilfeleistung gedacht sei, sondern als ein Nachteilausgleich. Die Verbände schlugen vor, die pauschale Geldleistung nach dem Grad der Behinderung zu staffeln. Dann müssten für die Betroffenen jeweils zwischen 200 und 700 Euro im Monat gezahlt werden. Finanziert werden könnte das Bundesteilhabegeld durch die im Fiskalpakt zugesagten Bundesmittel. Der Paritätische schätzte die Kosten auf 4,9 Milliarden Euro.

Derzeit beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe im von Andrea Nahles (SPD) geleiteten Bundesarbeitsministerium mit der Vorbereitung des Bundesteilhabegesetzes. Daran sind Vertreter von Betroffenenverbänden, der Wohlfahrtspflege, der Länder, Kommunen und Krankenkassen beteiligt. Bei der Sitzung am Donnerstag soll es um Finanzfragen gehen. Es wird erwartet, dass der Gesetzentwurf im Herbst vorliegt.

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