Die Frage nach dem Warum

Olympia 2024: Der DOSB prüft die Bewerber nach zehn Kriterien, ein Nein ist ausgeschlossen

DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch, der in einem Interview am Mittwoch einen Verzicht auf Olympia 2024 zumindest erwähnt hatte, wurde von seinen Chefs zurückgepfiffen. Ob es eine Bewerbung gibt, ist nicht mehr die Frage.

Diese Volkssportler! Da wagte Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsident Breitensport, doch tatsächlich noch einen Zwischenruf in der allgemeinen Olympia-Aufregung, die sich am Städteduell zwischen Berlin und Hamburg entzündet hat. Der 67-Jährige gab zu bedenken, dass ja im Grunde genommen noch gar nicht feststehe, ob der Deutsche Olympische Sportbund denn mit einer der beiden Städte ins Olympiarennen gehen werde: »Es könnte sein, dass wir zu dem Schluss kommen, keine Bewerbung um die Spiele 2024 abzugeben, weil uns die Zustimmung vielleicht nicht hoch genug erscheint«, sagte Schneeloch in einem Interview mit der »Rheinischen Post«. »Bevor wir auf die Nase fallen, könnten wir einer neuen Bewerbung etwas mehr Zeit geben.«

Vom DOSB kamen sofort die Dementis: »Ich denke, dass es klar und deutlich zu einer Bewerbung wie vorgesehen und vorbereitet kommen wird«, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin. Und Geschäftsführer Michael Vesper, einst grüner Landesminister in NRW, versicherte ebenfalls, ein Abrücken von einer deutschen Bewerbung um olympische Sommerspiele 2024 und 2028 sei nach den jüngsten Umfrageergebnissen nur noch eine theoretische Option: »Und so habe ich auch Walter Schneeloch verstanden«, fügte Vesper säuerlich an.

Ehe das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes am Montagabend (gegen 19 Uhr) jene Empfehlung abgibt, die am 21. März in der Frankfurter Paulskirche von der DOSB-Vollversammlung abgenickt werden soll, werden nun am Sonntag und Montag die Bewerbungskonzepte der beiden Städte anhand von zehn Kriterien überprüft, unter denen der DOSB vor den Beratungen nach eigener Aussage »noch keine Gewichtung« vornehmen wollte.

Punkt 1: Internationale Wettbewerbsfähigkeit

Eine Ablehnung der Olympiapläne ist nach dem Willen der DOSB-Oberen nur noch theoretisch vorstellbar, auch wenn DOSB-Vize Schneeloch mit seiner Annahme, man könnte mit der Bewerbung auf die Nase fallen, womöglich gar nicht so falsch liegt, unabhängig von der Güte der Bewerbungen aus Berlin oder Hamburg: Denn der Deutsche Fußball-Bund will sich um die Europameisterschaft 2024 bewerben und seine Aussichten sind blendend. Sollte Deutschland den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-EM 2024 bekommen, wird das Internationale Olympische Komitee kaum bereit sein, die Spiele nach Deutschland zu vergeben. »Die Ausrichtung, der Ablauf und die Medienberichterstattung der Olympischen Spiele dürfen in keiner Weise von einem anderen Ereignis beeinträchtigt werden, das in der Gastgeberstadt oder in ihrer Umgebung oder an anderen Wettkampfstätten oder Austragungsorten stattfindet«, heißt es in der Olympischen Charta unmissverständlich. Ein Durchfallen im ersten Anlauf ist vom DOSB allerdings schon mit eingeplant, schließlich bewerben sich sowohl die Hauptstadt als auch die Hansestadt für 2024 und 2028.

Die internationale Konkurrenz im Wettbewerb um die Austragung der Spiele 2024 ist stark. Boston gilt als ernstzunehmender Konkurrent, Rom ebenfalls, mögliche Kandidaten wie Paris oder womöglich St. Petersburg sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Hier hat Berlin als Hauptstadt sicherlich einen Hauptstadtbonus gegenüber Hamburg, zumal die Ausrichtung der Leichtathletik-WM 2009 oder des Fußball-WM-Finales 2006 bestens gelang.

Punkt 2: Vision und olympisches Erbe

Bernhard Schwank, DOSB-Vorstand für Olympiabewerbung und Internationales, nennt die Vision der Spiele einen entscheidenden Punkt: »International steht als Erstes immer die Frage nach dem ›Reason Why‹: Warum möchte eine Stadt, ein Land die Spiele haben? Das ist also ein ganz wichtiges Kriterium.« Welches Erbe hinterlassen die Spiele für Stadt, Region und Deutschland, welches für den Sport und welches für die Olympische Bewegung?

Die Handels- und Hafenstadt Hamburg präsentiert sich in ihrer Bewerbung als Paradebeispiel für die neue IOC-Agenda 2020: Auch in pluralistischen Gesellschaften mit hoch entwickelter Bürgerbeteiligung sei es möglich, Olympia und Paralympische Spiele auszurichten. Die »Olympic City« gegenüber der »Hafen City« soll ein komplettes neues Stadtquartier erschließen. Die Kosten hierfür sind allenfalls vage geschätzt, derzeit geht man allein für die Olympiabauten von Kosten in Höhe von 2,1 Milliarden Euro aus. Dem Breitensport soll dadurch gedient sein, dass viele Wettkampf- und Trainingsstätten für Olympia modernisiert werden.

Berlin hat bereits ein erstklassiges Olympiastadion vorzuweisen, wenngleich auch eines mit sehr unrühmlicher Geschichte. Die Hauptstadt verspricht eine Besinnung auf die Olympische Idee, auf Transparenz, Beteiligung und Nachhaltigkeit - auch hier werden alle Schlagworte der IOC-Agenda 2020 verwandt. Was beiden deutschen Bewerbungen nutzen würde: Eine Olympia-Ausrichtung in Deutschland würde dem IOC-Präsidenten Thomas Bach helfen, seine Vision von modernen und allseits verträglichen Spielen wahr zu machen, nachdem sich für die Winterspiele 2022 nur noch China (Peking) und Kasachstan (Almaty) bewerben, westliche Großstädte wie München, Oslo oder Stockholm hingegen ihre Olympiapläne fallen ließen.

Punkt 3: Olympisches Dorf

Berlin will sein Olympisches und Paralympisches Dorf auf dem Flughafengelände Tegel errichten - ein Unsicherheitsfaktor, denn ob der BER bis zum geplanten Olympiabaubeginn denn wirklich fertig ist und Tegel wie geplant geschlossen werden kann, weiß heute niemand zu sagen. 5000 Wohnungen sollen auf dem 50 Hektar großen Areal errichtet werden, nach den Spielen sollen dort 10 000 Berliner wohnen können. Sollte allerdings ein zweiter Anlauf für 2028 genommen werden müssen, würde dieser Wohnraum der Stadt bis dahin fehlen. Hamburg plant ein Dorf, das fußläufig bei den Sportstätten der Olympic City liegt. 3000 Wohnungen auf 40 Hektar Innenstadtlage, weitere 4000 Wohnungen sollen nach Olympia auf der Fläche des Überseezentrums entstehen.

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