Mobbing von ganz oben

In Hamburg formiert sich Widerstand gegen systematische Angriffe auf Betriebsräte, diese vermissen auch Unterstützung an der Gewerkschaftsspitze

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Kündigung, Einschüchterung, Diffamierung: Manche Arbeitgeber gehen massiv gegen unerwünschte Betriebsräte vor. Nur selten wird das öffentlich. Die Betroffenen landen vor der Tür oder werden krank.

Immer mehr Arbeitgeber gehen mit rabiaten Methoden gegen Betriebsräte und Gewerkschafter vor. Willkürliche fristlose Kündigungen, Einschüchterung, nicht selten auch handfeste Drohungen, Bespitzelung, Diffamierung bis zu Kriminalisierung durch falsche Anschuldigungen: Heutzutage ist offenbar kein noch so schmutziges Mittel mehr tabu, wenn es gilt, die Wahrnehmung der ohnehin kärglichen Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten in den Betrieben zu behindern.

Der systematische Angriff auf verfassungs- und tarifrechtlich geschützte Arbeitnehmerstrukturen, für den sich der Begriff »Union Busting« etabliert hat, wird am Sonnabend Thema einer Tagung der Jour Fixe Gewerkschaftslinken, der Organisation Projekt Revolutionäre Perspektive und der ver.di Jugend in Hamburg sein. »Mittlerweile hat sich eine regelrechte Industrie aus Anwälten und Verlagen auf die Bekämpfung von unerwünschten Betriebsräten oder die Verhinderung der Gründung eines Betriebsrates spezialisiert«, ist in der Einladung zu lesen.

Zurück in die Gegenwart

Von 1984 bis 1987 kämpften Rainer Knirsch, Hans Köbrich und Peter Vollmer gegen ihre Entlassung. Das Management des BMW-Motorradwerks in Berlin Spandau wollte die drei kämpferischen Betriebsräte loswerden, weil sie sich dem Kuschelkurs mit dem Unternehmen verweigerten. Zuvor hatte BMW die Betriebsratswahl in dem Werk massiv manipuliert und eine von ihnen gesponserte »Liste der Vernunft« installiert. Weil die drei abgewählten Betriebsräte dagegen klagten, wurden sie gekündigt. Wenn sie in einer Instanz gewannen, schoben die Manager gleich die nächste Kündigung nach. Gleichzeitig inszenierte die unternehmerfreundliche Betriebsratsgruppe Mitarbeiterversammlungen, bei denen die Entlassenen als rote Ideologen diffamiert wurden, die die Arbeitsplätze der Kollegen gefährden würden.

Drei Jahre konnten Knirsch, Köbrich und Vollmer das Werk nicht betreten, dann geschah das Unerwartete: Sie siegten vor Gericht und mussten wieder eingestellt werden. Andernfalls hätte dem BMW-Vorstandsvorsitzenden ein Zwangsgeld von 100 000 DM gedroht. Auch die manipulierte Betriebsratswahl musste wiederholt werden und die kämpferischen Betriebsräte gewannen mit großem Vorsprung. Entscheidend für den Erfolg war ein Solidaritätskomitee, das von dem Berliner Politologen Bodo Zeuner geleitet wurde. Es machte den Fall »BMW-Berlin« zu einem Thema, das die Öffentlichkeit interessierte. Spätestens nach ihrem Sieg gegen den Weltkonzern waren die drei Betriebsräte über Westberlin hinaus bekannt. Im Gegensatz zur IG Metall im Bund hielt sich die Berliner Gewerkschaftsgliederung damals mit der Unterstützung zurück. So schloss sie beispielsweise die unternehmerfreundlichen Betriebsräte nicht aus, die Unterschriften gegen die Wiedereinstellung der drei Kollegen sammelten und sogar mit Streiks drohten.

Jetzt hat der Verlag »Die Buchmacherei« diese außergewöhnliche Geschichte noch einmal dokumentiert. Die zwei von den Unterstützern einst erstellten Broschüren lesen sich dabei noch heute erstaunlich aktuell. Das Vorwort des Buches bringt auf den Punkt, warum: Die Geschichte markiere die Anfänge des »Union Busting« in Berlin, heißt es da, und sie zeige, dass und wie es möglich ist, sich dem mit Erfolg zu widersetzen.Peter Nowak

Frank Steger (Hg.): Macht und Recht im Betrieb. Der Fall BMW-Berlin, Die Buchmacherei 2014, 352 S., 14,95 Euro. Am 16.3. stellt einer der betroffenen Betriebsräte das Buch in Berlin-Kreuzberg vor

Wichtig ist den Veranstaltern nicht nur, mit Hilfe von Experten wie Elmar Wigand von aktion./.arbeitsunrecht über Methoden und Auswüchse des Union Bustings aufzuklären. Wigand hat im vergangenen Jahr zusammen mit Werner Rügemer das Buch »Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung« veröffentlicht. Wichtig ist den Organisatoren der Tagung aber auch »die aktive Parteinahme für die Opfer«. »Die meisten Fälle kommen gar nicht ans Tageslicht«, berichtet Dieter Wegner, Initiator der Tagung, gegenüber »nd«. Die Betroffenen würden in der Regel einfach ohne Abfindung sang- und klanglos vor die Tür gesetzt, oder sie landen in der Langzeitarbeitsunfähigkeit - Dauerdrangsalierung macht krank. »Nur wer das seltene Glück hat, einen kämpferischen Gewerkschaftssekretär oder Rechtsanwalt zu finden, kann sich effektiv zur Wehr setzen.« Daher sollen vor allem Gegenstrategien diskutiert und Beschäftigten, die zur Zielscheibe von Union Busting werden, die Möglichkeit eröffnet werden, sich zu vernetzen und selbstständig ihren Widerstand zu organisieren.

Als Hilfestellung wird es ausführliche Fallschilderungen geben: Beispielsweise von Torben Ackermann, der von seinem Arbeitgeber, dem Würzburger Brotfabrikanten Götz, 2014 fristlos gekündigt wurde und dem ein Hausverbot ausgesprochen worden war, nachdem er an der Spitze einer unliebsamen Gewerkschaftsliste zu den Betriebsratswahlen angetreten war. Auch der Neupack-Betriebsratsvorsitzende Murat Günes aus Hamburg wird dabei sein: Sein Arbeitgeber hat ihn von Privatdetektiven ausspionieren lassen und mit einer Welle von mittlerweile zehn Kündigungsverfahren überzogen (»nd« berichtete).

Die Gewerkschaften hätten das Union Busting noch gar nicht als »Kampfansage« der Unternehmer erkannt, meint Dieter Wegner. Aus seiner Sicht verharmlosten sie das Phänomen als vereinzelte Pannen im System und Fehlleistungen einiger Arbeitgeber. Wegner begreift Union Busting hingegen als unweigerliche Folge der Sozialpartnerschaft im Bann des Neoliberalismus und der Wirtschaftskrise. Was unter den Vorzeichen des Keynesianismus mehr schlecht als recht gehalten habe - ein fauler Klassenkompromiss -, funktioniere auf einem deregulierten Arbeitsmarkt gar nicht mehr. »Ausbeuter und Ausgebeutete können nun einmal keine Partner sein«, so Wegner.

Auch Elmar Wigand kritisiert die Gewerkschaften scharf. »Für die oberen Funktionärsebenen ist das Thema Union Busting unbequem, weil es der vorherrschenden Erzählung vom vorbildlichen Modell Deutschland zuwiderläuft.« Die Sekretäre »an der Front« verstünden das Problem hingegen meist sehr gut, seien aber oft überfordert und ratlos. Wigand fordert, Union Busting müsse »als Demokratie- und Menschenrechtsdefizit anerkannt werden, das nicht etwa am Rande, sondern im Herzen der Wirtschaft existiert und wuchert«.

Diesen Freitag findet in Hamburg und zwölf anderen Städten unter dem Titel »PlastikSchalen von Betriebsratsfressern und Lohndrückern« ein Boykottaktionstag gegen Neupack statt. Zukünftig soll es an jedem Freitag dem 13. Proteste gegen weitere prominente Union Buster der Republik geben.

www.jourfixe.hamburger-netzwerk.de, arbeitsunrecht.de/freitag13/anker01

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