Deutsches Arbeitsrecht zu spät an das EU-Recht angepasst

Bundesarbeitsgericht kritisiert deutschen Gesetzgeber

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Gesetzgeber lässt sich zu viel Zeit, das deutsche Arbeitsrecht an EU-Recht anzupassen, kritisiert die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt.

»Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat beispielsweise bereits 2009 mit einem Urteil das deutsche Urlaubsrecht für Arbeitnehmer vom Kopf auf die Füße gestellt«, so die BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt auf der Jahrespressekonferenz des höchsten deutschen Arbeitsgerichts. Dennoch sei das Bundesurlaubsgesetz bis heute nicht an die neue Rechtsprechung angepasst worden.

Gleiches gelte zur Rechtsprechung bei Massenentlassungen. Der EuGH habe dazu schon 2005 ein Grundsatzurteil gefällt. Auch hier sei das deutsche Arbeitsrecht nicht geändert worden. Für die Bürger bedeute dies, dass sie sich beim Lesen eines deutschen Gesetzes nicht immer sicher sein könnten, ob dieses auch EU-Recht berücksichtigt. »Ich vermute, dass der Gesetzgeber heiße Eisen nicht gerne anfasst«, sagte Schmidt.

Die BAG-Präsidentin rechnet damit, dass das Bundesarbeitsgericht Ende dieses Jahres oder Anfang 2016 auch erste Verfahren zum neuen Mindestlohngesetz entscheiden muss. »Es gibt beispielsweise Klärungsbedarf bei der Entlohnung von Praktikanten oder bei ausländischen Lkw-Fahrern, die Deutschland durchfahren«, sagte sie. Kritik, dass der Gesetzgeber hier mehr hätte ins Gesetz schreiben müssen, folgte Schmidt nicht. »Der Gesetzgeber kann in einem Gesetz nicht alle Lebenssachverhalte ausformulieren«, so die BAG-Präsidentin.

Insgesamt hatten die obersten Arbeitsrichter 2014 etwas weniger zu tun als im Jahr zuvor. So seien letztes Jahr 2332 Verfahren eingegangen. Im Jahr 2013 waren es noch 2684.

»Ein Grund hierfür ist der positive Konjunkturverlauf«, sagte Schmidt. Es gebe dadurch weniger Kündigungen und damit auch weniger Kündigungsschutzklagen.

Werden Revisionen oder Rechtsbeschwerden eingelegt, ist die Erfolgsquote nicht sehr hoch. Nur 14 Prozent aller eingelegten Revisionen und Rechtsbeschwerden waren beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt erfolgreich. Bei den Nichtzulassungsbeschwerden sind lediglich 7,5 Prozent von Erfolg gekrönt. epd/nd

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