Die Fährte der Filme
Gestorben: Peter Voigt
Seine Dokumentarfilme gehören zu den eindringlichen, stur genauen, konsequent persönlichen Werken der DDR-Kunst. Geschichte als autobiografischer Anlass, ohne dass fragende Subjektivität in bespiegelnde Eitelkeit umschlug. Peter Voigts Gabe war eine Spürsinnlichkeit fürs Details, für die scheinbare Beiläufigkeit, in der das große Ganze aufblitzte - so, dass das Große schrumpfte und das Ganze seine Brüchigkeiten gestehen musste. 2013 war ihm eine Retrospektive bei der Leipziger Dokfilmwoche gewidmet; seine Filme wirken wie sein ganzes Leben nach: brechtisch.
»Schlachtfelder«: Reisen nach Verdun und Wolgograd. »Stehend auf zwei Gäulen«: ein Porträt des Anarchisten Erich Mühsam. »Stein schleift Schere«: eine Kindheit im deutsch besetzten Polen, Voigts eigene Kindheit. »Knabenjahre«: vier DDR-Bürger erinnern sich an ihre Vergangenheit unter Hitler. Erzählungen darüber, dass die DDR keinesfalls nur der Staat der Opfer war. Befreiung und Schuldqual, Wandel und Wesen, von der Mitläuferschaft zur Vorhut-Ideologie - Einblicke in die tiefe Widersprüchlichkeit der Existenz. Aufklärung nicht als Erziehungsauftrag an andere, sondern Selbsterforschung.
Voigt wurde 1933 in Dessau geboren, sein Vater wird 1939 Theaterdirektor im besetzten Bromberg (Bydgoszcz). Peter Voigt avanciert nach dem Krieg am Berliner Ensemble zu Brechts Assistent. Heiter, lebenskünstlerisch frech und schwingend melancholisch sein Rückblick, im Film »Dämmerung - Ostberliner Boheme der 50er Jahre« (1993). Er wird Mitarbeiter im Studio H & S, ist Co-Regisseur für Walter Heynowskis und Gerhard Scheumanns Welterfolg »Der lachende Mann«. Voigt ist der Tricktechniker, der Grafikgestalter, der Fotospezialist des Studios. Aber auch zahlreiche eigene Filme entstehen, Interviews, Dokumentationen über Theaterarbeit, Arbeiterporträts. Ende der 1970er Jahre neue Projekte: das Marx-Engels-Forum in Berlin (er gestaltet mit Arno Fischer den Fotopart an den Edelmetall-Stelen des Denkmals) und der sechsteilige Film »Busch singt« von Konrad Wolf. Es folgt »Ich bin Ernst Busch«. Erinnerung an eine hochreißende proletarische Stimme, aber auch Gedenken an eine mitreißende Stimmung: Die neue, bessere Welt ist möglich! Später wird Voigt die pathosschöne, schwierige, vergebliche, tragische Entwicklung der DDR und des rohen, ungelenken Sozialismus als Glücksfall für die Denk- und Kunstarbeit bezeichnen: »Ist es nicht enorm, so etwas überhaupt erlebt zu haben, eine solche gnadenlose Poesie - und die Enttäuschung?
Am 12. März ist Peter Voigt, wie jetzt bekannt wurde, im Alter von 81 Jahren gestorben.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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