Hadi setzt auf die Mali-Variante

Jemens Staatspräsident ist in höchster Bedrängnis auf der Flucht vor Rebellen

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.
Jemens Staatschef Hadi ist auf der Flucht vor den Huthi-Rebellen, die ihn jetzt auch in Aden bedrängen. Ihr Vormarsch in den Süden scheint unaufhaltsam. Der Präsident hofft auf eine Lösung wie in Mali.

Für Jemens Staatspräsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ist es am Mittwoch stündlich enger geworden. Trotzige Dementis vermochten daran nichts zu ändern. Wenn diese Zeilen erscheinen, könnte sich Hadis Schicksal schon besiegelt haben. Auf verteidigungsfähige und -willige Truppen kann er kaum noch zurückgreifen. Nach dem faktischen Verlust seiner Macht war er vor einem Monat aus der Hauptstadt Sanaa nach Aden geflohen. Dort, in der einstigen Hauptstadt der Volksdemokratischen Republik Jemen, gelang es ihm aber offenbar nicht, in dem traditionell tribalistisch geprägten Land eine erwähnenswerte Zahl an Clan-Chefs für eine Streitmacht gegen die aus dem Norden vorrückenden Huthi-Rebellen zu gewinnen.

Eine Überraschung ist das nicht. Hadi gilt als Marionette der speziell im Süden am meisten verhassten Staaten: den USA und Saudi-Arabien. Die USA haben allein in die vergangenen drei Jahren ein gutes Dutzend Drohnenangriffe auf Ziele in Jemen geflogen – angeblich immer gegen das Terrornetzwerk Al Qaida und seine Stützpunkte – und nie danach gefragt, wen oder was sie wirklich getroffen haben. Eine Danksagung durch Hadi, welch grandioser Erfolg im Kampf gegen den Terror wieder einmal erzielt worden sei, hatte dem Pentagon stets genügt. Nun aber zeigen die USA offensichtlich keine Neigung, sich militärisch tiefer in den jemenitischen Schlamassel hineinziehen zu lassen – zum Entsetzen Hadis räumten sie ohne viel Federlesens ihre Stützpunkt im Süden.

Der Präsident auf Abruf hat in den zurückliegenden Tagen – militärisch am Boden liegend – versucht, die internationale Diplomatie für sich einzunehmen; freilich nicht um einen Kompromiss zwischen seiner Hausmacht und den Huthi zu vermitteln, sondern um eine UN-Resolution gegen letztere zu bewirken. Das immerhin kam zustande. Allerdings muss man sich schon fragen, weshalb der Sicherheitsrat allein die Rebellen für die Gewalt in Jemen verantwortlich macht. »Weitere Maßnahmen« sind angedroht, falls sich an der kriegerischen Lage nichts ändern sollte.

Der Präsident ist demnach ohne Schuld am Krieg. Obwohl das weit mehr ist, als Hadi nach der nüchternen Faktenlage hätte erwarten dürfen, nützt es ihm dennoch wenig. Die Huthi, denen eine Garnison nach der anderen faktisch ohne Widerstand in die Hände fällt, greifen ihn inzwischen in Aden mit den Flugzeugen und Panzern an, die bis eben noch seinen Gewährsleuten unterstanden.
Offensichtlich sieht Hadi nun seine einzige Hoffnung darin, die Huthi als Ableger des internationalen Terrorismus zu dämonisieren, die die Weltgemeinschaft bedrohen, und sich analog zur französischen Invasion in Mali von ausländischen Truppen heraushauen zu lassen. In einem Brief forderte er den UN-Sicherheitsrat am Dienstag zur Verabschiedung einer bindenden Resolution auf, mit der das Vorrücken der schiitischen Huthi-Miliz gestoppt werden solle. Der Rat müsse die »legitime Macht« im Land militärisch unterstützen. Der Verweis darauf, dass die Huthi Schiiten sind, ist dabei sicher nicht zufällig. Die schiitisch-islamische Republik Iran wird immer wieder als Stütze der Huthi genannt. Nachweisbar ist außer vorsichtigen Sympathieerklärungen aus Teheran allerdings nichts, was den Tatbestand eines aktiven Stellvertreterkrieges Irans gegen Saudi-Arabien auf jemenitischem Boden bestätige würde.

Saudi-Arabien allerdings, das die einzige Landgrenze mit Jemen hat, ist dort schon immer sehr aktiv – indem man mal den einen, mal den anderen Clan unterstützt, jemenitische Gastarbeiter von einem Tag auf den anderen ausweist und vor allem: Die superreichen Saudis haben die wiederholten Bitten der bitterarmen arabischen Brüder in Jemen um Aufnahme in den Golfkooperationsrat (GCC) sämtlich vom Tisch gewischt. Dennoch hatte Hadi in seinem Brief an die UNO erwähnt, dass er bereits die Länder des GCC sowie weitere Mitglieder der Arabischen Liga um Hilfe gebeten habe, auch militärische. Von einer Antwort ist bislang nichts bekannt. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« konstatierte lakonisch: »Jetzt soll ausgerechnet Saudi-Arabien das Feuer löschen, das es selbst gelegt hat. Jeder saudische Prinz hatte im Jemen eine andere der sich bekämpfenden Gruppen unterstützt, bis der Zerfall des Staats eine Eigendynamik erhalten hat, die nicht mehr aufzuhalten ist.«

Das Auswärtige Amt in Berlin übrigens ist bislang über nebulöse Erklärungen zugunsten Hadis nicht hinausgekommen.

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