SYRIZA-Kompromisse mit der Kirche

Linkspartei verzichtet auf Besteuerung klerikalen Vermögens, ist aber für die schwul-lesbische Lebenspartnerschaft

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Ob Militärparaden oder Umgang mit der mächtigen Griechisch-orthodoxen Kirche - SYRIZA modifiziert frühere Positionen.

Der 25. März ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung in Griechenland. Als Nationalfeiertag erinnert er an den Beginn des Befreiungskampfes gegen die Osmanen 1821 - traditionell begangen mit einer Militärparade in der Hauptstadt, während im ganzen Land Schüleraufmärsche im militärischen Stechschritt stattfinden. Die orthodoxe Kirche feiert am selben Tag die »Verkündigung des Herrn«. Er füllt nicht nur die Gotteshäuser, sondern vor allem auch die Tavernen, denn an diesem Tag ist trotz Fastenzeit der Verzehr von Stockfisch erlaubt.

Zu den in Oppositionszeiten entwickelten SYRIZA-Positionen gehörte die Abschaffung der anachronistischen und teuren Militärparaden. An die Regierung gekommen, ist davon nun erst einmal keine Rede mehr. Ein Verzicht wäre mit dem oberpatriotischen neuen Verteidigungsmister der nationalpopulistischen Koalitionspartnerin ANEL, Panos Kammenos, nicht zu machen. Aber auch bei SYRIZA ließ man sich dieses Jahr lieber als eine Art »Befreier« feiern: Während sich die Vorgängerregierungen zuletzt durch Absperrgitter und Bereitschaftspolizei vor dem Zorn der unter den Sparmaßnahmen leidenden eigenen Bevölkerung schützen ließen, genossen Regierungschef Alexis Tsipras und sein Kabinett das Bad in der jubelnden Menge.

Und auch in Sachen Kirche hat sich bei der Linkspartei einiges geändert. Dabei ist diese nicht nur sehr mächtig, sondern auch sehr reaktionär. Hohe Kirchenfürsten erfüllen regelmäßig den Tatbestand der Volksverhetzung, wenn es um Juden, (muslimische) Ausländer oder Homosexuelle geht. Oder sie pflegen enge Beziehungen zur neofaschistischen Partei Goldene Morgendämmerung, die als Verteidiger von Nation, Kirche und Familie dargestellt wird. Auch die im Ausland berühmte Mönchsrepublik von Athos verbietet nicht nur Frauen den Zutritt, sie ist zudem in diverse Skandale verwickelt, etwa in einen Tausch wertloser Ländereien gegen höchst lukrative Grundstücke der öffentlichen Hand.

Gleichzeitig hat die Kirche einen immensen Einfluss. Der Schultag beginnt mit einem Gebet, im religiösen Pflichtunterricht wird ausschließlich der orthodoxe Glaube gelehrt. Das Bildnis des Gekreuzigten fehlt in keiner Schule, keinem Gericht und keiner Behörde. Jede Einweihung eines öffentlichen Gebäudes wird wie der Beginn eines Schuljahres mit einer priesterlichen Einsegnung begangen.

Die in Oppositionszeiten stets auf eine Trennung von Staat und Kirche drängende SYRIZA hatte die Krise zum Anlass genommen, um über die Forderung nach einer Besteuerung des Kirchenbesitzes deren Macht zu beschneiden. Doch bereits vor den Januar-Wahlen mehrten sich die Zeichen, das daraus wohl nichts wird. Zum Entsetzen nicht nur feministischer Parteifreunde besuchte Alexis Tsipras im August 2014 die skandalträchtige Mönchrepublik, wo er »gemeinsame Ansichten« und eine Vorbildfunktion der Kirche in vielen Punkten feststellte.

Der kurz darauf folgende Besuch beim Papst dürfte die heimischen Kirchenfürsten aber eher erzürnt haben. Gilt das Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche für so manchen doch als Inkarnation des Teufels. Vielleicht auch, um diesen Zorn zu besänftigen, ließ Tsipras bei den diesjährigen Feierlichkeiten zum Epiphanias am Heiligen Dreikönigstag in der Hafenstadt Piräus Seite an Seite mit dem Oberhaupt der griechischen Kirche, Erzbischof Ieronimos, die im Ritual vorgesehene Taube fliegen.

An die Regierung gekommen, ist bei SYRIZA nun keine Rede mehr von der Besteuerung des Kirchenvermögens oder eine Trennung von Kirche und Staat. Stattdessen wird deren mildtätiges Wirken beispielsweise in Form von Armenspeisungen gepriesen. Lediglich bei einem Punkt scheint SYRIZA zu bleiben: Die von der Kirche hart bekämpfte eingetragene Lebenspartnerschaft für Homosexuelle steht nach wie vor auf der Tagesordnung der Regierungspartei - allerdings ohne das Recht auf Adoption von Kindern.

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