Juncker bekommt Gegenwind

Europaparlamentarier aller Fraktionen fordern Nachbesserungen bei 315 Milliarden Euro schwerem Investitionsprogramm

  • Hanna Penzer, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor allem private Anleger sollen nach dem Juncker-Plan bei öffentlichen Investitionen einspringen. Dies birgt große Probleme.

Kontroversen sind nicht gewollt. Doch bevor das von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Januar vorgestellte Investitionsprogramm wie geplant an den Start gehen kann, müssen die Mitglieder des Europäischen Parlaments bis zur Sommerpause grünes Licht geben. In einer gemeinsamen Aussprache Ende vergangener Woche in Brüssel forderten Haushalts- und Wirtschaftsexperten aller Fraktionen Nachbesserungen.

Für Aufregung sorgt dabei die fehlende Verhandlungsbereitschaft aufseiten der EU-Kommission. Die Abgeordneten wollen parlamentarische Haushaltsrechte gewahrt sehen und fordern Mitsprache bei der Ernennung des Fonds-Managements. Denn nach Absagen aus den Hauptstädten soll sich der »Fonds für strategische Investitionen« (EFSI) im wesentlichen aus Mitteln des EU-Haushalts speisen. Die Europäische Investitionsbank (EIB), die für dessen Verwaltung vorgesehen ist, rechnet mit Garantien über 16 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt.

Mit den Mitteln will die EIB Investitionen in Verkehr- sowie Energienetze, Forschung und Geschäftsvorhaben des Mittelstands finanzieren. Juncker hofft, dass dank der Anschubfinanzierung zusätzliche Gelder von Versicherungen und Pensionsfonds eingesammelt werden können und 315 Milliarden Euro bis 2017 in realwirtschaftliche Investitionen fließen.

Die Fachpolitiker des EU-Parlaments kritisieren, dass die Juncker-Kommission zur Realisierung ihres Vorhaben bereits bestehende Investitionsprogramme plündern will. Besonders absurd in den Augen der Parlamentarier: Zur Einrichtung des neuen Fonds sollen vor allem Haushaltsmittel herhalten, die zur Förderung der Grundlagenforschung und zum Ausbau grenzüberschreitender Infrastruktur vorgesehen waren. Selbst Reimer Böge, CDU-Haushaltspolitiker meint, es sei »keine Majestätsbeleidigung, wenn wir über Alternativen nachdenken.«

Weitergehende Kritik am Juncker-Programm äußern derweil Vertreter der Linken sowie von Gewerkschaften und Sozialverbänden. Dabei geht es um die Rolle, die privaten Investoren zugedacht werden soll. Martin Myant, Forscher beim Europäischen Gewerkschaftsinstitut in Brüssel kritisiert, dass die Letztentscheidung, welche der bisher eingegangenen 2000 Projektvorschläge finanziert werden, bei privaten Investitionsfonds liegen wird. »Am Ende geht es um die Frage, ob wir den Märkten die Macht geben wollen, die Ausgestaltung des Europäischen Investitionsplans zu definieren«, warnt auch der Chefökonom des Europäischen Gewerkschaftsbundes Ronald Janssen.

Gewerkschafts- und Sozialverbände befürchten, dass die Mittel nicht dorthin fließen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Der Generalsekretär des Europäischen Verband der Leistungserbringer für Menschen mit Behinderung, Luk Zelderloo, kritisiert: »Mit ihrem Vorschlag verpasst die Kommission die riesige Chance, in soziale und ökologische Wachstumssektoren zu investieren.« Auch der französische Abgeordnete der Linksfraktion GUE/NGL Younous Omarjee fürchtet, dass gerade ärmere Regionen zu kurz kommen werden. Er forderte deshalb »die Zielsetzung der Kohäsion« dürfe nicht vergessen werden.

Direkter wurde Ökonomie-Professor Stuart Holland bei seinem Besuch im EU-Parlament auf Einladung der Linksfraktion GUE/NGL am Mittwoch. Bei den vorliegenden Plänen handele es sich um eine »privat-öffentliche Partnerschaft ohne öffentliche Gelder«. In seiner gegenwärtigen Form sei der EFSI nicht mehr als ein »Fantasiegebilde«.

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