»Selbst in ihrem Schweigen ...

Kathrin Gerlof über die neue Reichserbhofsteuer und den kommenden Aufstand

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

… scheint die Bevölkerung unendlich viel erwachsener als all die Hampelmänner, die sich zanken, um sie zu regieren.« (Wird erst am Schluss aufgelöst.)

Die Satire hat es schwer, denn jede Sau, die durchs Dorf gejagt wird, ist sich selbst genug und lässt uns auch ohne Überhöhung böse lachen. Wir haben jetzt die Ausländer-Maut - unser neues Reichserbhofgesetz: Kostenfrei Auto fahren auf unseren deutschen Autobahnen kann künftig nur, wer deutschen oder stammesgleichen Blutes ist. Jetzt wäre es an der Zeit, für Ausländer und alle Menschen, die nicht deutschen oder stammesgleichen Blutes sind, die Sektsteuer, Salzsteuer, Urinsteuer, Zuckersteuer, Verpackungssteuer und Spielkartensteuer einzuführen. Aber es ist langweilig. Die Maut ist an sich Satire, was soll man dazu noch schreiben?

»Von Links bis Rechts ist es dasselbe Nichts, das Champion-Posen einnimmt oder Unschuldsmienen aufsetzt, sind es die gleichen Gondelköpfe, die ihre Reden gemäß den neuesten Funden der Werbeabteilung austauschen.« (Wird erst am Schluss aufgelöst.)

In Berlin liegen die Sozialmieten vergleichsweise höher als die für Wohnungen des freien Marktes. Wie hat das Land - sexyer geht’s nimmer - das denn hingekriegt? Nun, in den vergangenen Jahren verringerte sich die Förderung für Sozialwohnungen jährlich um 13 Cent je Quadratmeter und diese 13 Cent können Vermieter nach geltendem Recht draufschlagen. Da läppert sich im Laufe der Jahre was zusammen. Jetzt will der Stadtentwicklungssenator aktiv werden. Das haben all seine Vorgängerinnen und Vorgänger der vergangenen Jahre tunlichst vermieden - egal, welche Farbe ihr Parteibuch trug. »An den Rand eines Problemviertels gebaute Autobahnen schaffen eine unsichtbare Mauer, die durchaus imstande ist, es von den Villenvierteln zu trennen.« (Wird erst am Schluss aufgelöst.)

Rettung ist in Sicht, denn nun startet die weltweit erste Online-Auktionsplattform für Mietimmobilien »Smmove«. »Wir haben Immobilienscout mit Ebay gekreuzt«, sagt der Gründer dieses supergeilen Unternehmens, Michael Scheiblich. Kurze Zeit später starb die Kassiererin Emmely (fristlose Kündigung wegen zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro) an Herzversagen. Nur die Satire darf aus solchen Randmeldungen Zusammenhänge basteln. Das wahre Leben ist viel schlimmer.

Eine in Deutschland lebende Türkin bekommt die Kosten für den Kabelanschluss nicht vom Steuerzahler finanziert, hat das Bundessozialgericht entschieden. Der Umstand, dass man die deutsche Sprache nicht beherrsche, sei keine Behinderung, die zu zusätzlicher Sozialhilfe berechtige. Die Frau ist 78 Jahre alt und wird dafür Verständnis haben. Außerdem bietet das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch für alte Türkinnen, die kein Deutsch verstehen, ausreichend Angebote, um die Grundversorgung mit Informationen sicherzustellen. Zum Beispiele Fernsehproduktionen mit Veronika Ferres in der Hauptrolle.

In Frankfurt/Oder haben neun rechte Gondelköpfe eine Gruppe von syrischen Asylbewerbern überfallen und zusammengeschlagen. Die Ermittler gehen von einem »offensichtlich fremdenfeindlich motivierten Überfall« aus. Die Syrer leben in einem Sammellager in Eisenhüttenstadt. Eisenhüttenstadt? Da war doch was. Ein guter Ort für Ausländer, die kein Geld für die PKW-Maut haben, um da wegzukommen. Jetzt ist auch noch der Vater des Musikantenstadls, Karl Moik, tot. Womit sollen sich die Syrer in den Heimen abends die Zeit vertreiben, wo die da doch bestimmt auch keinen Kabelanschluss haben?

»Nun ist es aber so, dass unsereins alle Reserven an Illusionen aufgebraucht hat, wir liegen am Boden, wir sind pleite, wenn nicht tief im Dispo.« (aus »Der kommende Aufstand«, einer Flugschrift, die schon vor acht Jahren in Frankreich erschienen ist).

PS: Die neue Reichserbhofsteuer wird uns aus dem Dispo holen.

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