Bsirske gegen Klimaabgabe

Ver.di-Chef sieht bis zu 100 000 Jobs in der Kohleindustrie in Gefahr

  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer Sonderabgabe auf alte Kohlekraftwerke will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) etwas gegen den Klimawandel machen. Dafür erntet er Gegenwind.

Verdi-Chef Frank Bsirske rechnet nach Ostern mit massiven Protesten gegen die von der Bundesregierung geplante Sonderabgabe auf alte Kohlekraftwerke. Die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgeschlagene Abgabe bedrohe bis zu 100 000 Arbeitsplätze, sagte Bsirske der dpa. Denn diese Pläne würden die Gefahr eines tiefgehenden Strukturbruchs im Braunkohlerevier in der Lausitz und im rheinischen Revier bergen.

Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen bis 2020 unbedingt das Ziel von 40 Prozent weniger klimaschädlichen CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 einhalten. Bisher sind 27 Prozent erreicht. Bis 2020 sollen die Kraftwerks-Emissionen neben bereits geplanten Maßnahmen um zusätzliche 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid gemindert werden. Dafür plant Gabriel eine Klimaabgabe beim Überschreiten eines CO2-Freibetrags für über 20 Jahre alte fossile Kraftwerke.

Bei einer Ausweitung des Kraft-Wärme-Kopplung-Anteils auf 25 Prozent, wie dies im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot bestätigt worden sei, wäre laut Bsirske eine Einsparung von 20 bis 30 Millionen Tonnen CO2 möglich. Allerdings würde dies die Umlage auf den Strompreis erhöhen. »Um das zu vermeiden, wird das CO2-Ziel korrigiert und werden 100 000 Arbeitsplätze - 30 000 direkt und 70 000 indirekt - sowie tiefgehende Strukturbrüche in den Kohle-Regionen riskiert. Ich halte das für hoch problematisch.«

Bsirske verwies auf durch die Energiewende ohnehin angeschlagene Energie-Konzerne wie RWE, denen weitere Milliarden-Belastungen allein aus Restrukturierungsausgaben im Zusammenhang mit der Braunkohle drohten. »Da sind wir noch gar nicht bei den Sozialplankosten, wenn Tausende entlassen werden.«

Für sein Engagement für die Kohleindustrie erntete Bsirske Kritik von den Grünen. »Pünktlich zu Ostern gibt es mit Frank Bsirske für alte, klimaschädliche Braunkohlekraftwerke einen neuen Schutzheiligen«, sagte etwa der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer. Für Niedersachsens grünen Umweltminister Stefan Wenzel ist indes nicht »eine vernünftige Umweltpolitik, sondern die mangelhafte Kreativität ihrer Manager« die größte Gefahr für die Energiebranche.

Gabriel schrieb kurz vor Ostern wegen der sich abzeichnenden Proteste an die Betriebsräte betroffener Unternehmen: »Die Beschäftigten in der Lausitz und im rheinischen Revier haben schlicht Angst um ihre Arbeitsplätze.« Die Regierung spiele Arbeit und Klimaschutz nicht gegeneinander aus. »Wir sind offen für alle Verbesserungsvorschläge, mit denen das Klimaziel erreicht wird.« Er kündigte einen Dialog an.

Die Betriebsräte der führenden Energiekonzerne antworteten Gabriel indes mit Androhung heftigen Widerstands gegen die geplante Klimaabgabe. »Die Ängste und Sorgen der Belegschaft sind groß«, heißt es einem Schreiben der Betriebsräte von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. »Wir haben nicht umsonst zu Demonstrationen aufgerufen. Und wir werden auch weiter mit Nachdruck darum kämpfen, dass solche Vorschläge vom Tisch kommen.« Die Betriebsräte befürchten große Arbeitsplatzverluste.

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