Die Falken machen sich startklar

Der Profifußball wird ein Monster, sagten frustrierte HSV-Fans und schufen einen neuen Club

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Juni 2014 entstand aus den Reihen der HSV-Fans ein alternativer Fußballverein. In diesem Sommer will die Hamburger Truppe in der Kreisklasse starten, mittelfristig ist die Oberliga anvisiert.

Gut zweieinhalb Kilometer sind es vom Hamburger Volksparkstadion bis zum Sportplatz Ring 36, wo sich an jenem Tag 16 Kicker um einen Platz in einer neuen Hamburger Fußballmannschaft bewerben. Wie weit ihre Herzen vom Volkspark und dem dort spielenden HSV entfernt sind, ist sehr unterschiedlich. Die Kandidaten haben sich Trikots des HFC Falke angezogen, einem Verein, der sich nach der Auslagerung der HSV-Profikicker in eine Aktiengesellschaft im Mai 2014 gegründet hat.

»Wir haben über Jahre viele Kröten geschluckt, weil wir in einem Verein mitbestimmen konnten«, erzählt Tamara Dwenger, die nach 18 Jahren aus dem HSV austrat, ihre Dauerkarte abgab und nun die erste Präsidentin von Falke ist: »Die ganze Energie, mit der wir beim HSV gegen etwas gekämpft haben, fließt jetzt für etwas ein: Für eine neue Form des Amateursports, der nicht nur die Verwandten und drei Bekannte von Spielern interessiert.« Ein Teil der etwa 330 Vereinsmitglieder besucht auch noch HSV-Spiele - wie groß die Distanz ist, muss jeder selbst entscheiden. »Natürlich sind wir eine Alternative«, sagt Dwenger, »vielleicht sind wir auch eine Ergänzung.« Um den Rasenplatz verfolgen rund 70 Mitglieder und Anhänger bei Bier, belegten Brötchen und Kuchen das Sichtungstraining. Der Name ihres Klubs spielt auf den Hamburger FC 88 und den FC Falke 06 an, die sich 1919 mit dem SC Germania zum HSV zusammenschlossen. Von Germania haben die neuen Falken die schwarz-blauen Trikots und das alte Motto übernommen: »Dankbar rückwärts, mutig vorwärts!« In den »Grundgedanken« des Vereins heißt es, der Profifußball entwickle sich »zu einem Event- und Kapitalmonster«.

Dass Fans sich auf verloren gegangene Traditionen berufen und ihren eigenen Klub gründen, ist nicht neu: Als Falke im Juni 2014 ins Leben gerufen wurde, schauten auch Vertreter vom FC United of Manchester vorbei, der Abspaltung kritischer Anhänger des Premier-League-Riesen Manchester United. »Wir waren nicht nur gegen die Ausgliederung, es ging uns auch darum, dass ein Investor die Macht übernimmt«, spielt Dwenger auf den Schweizer Milliardär Klaus-Michael Kühne an, der beim HSV mit stetem Wechsel aus Drohen und Locken die Fäden in der Hand hält. »Wir sind kein Traditionsverein, aber einer, der Werte und einen sozialen Gedanken vertritt«, sagt die Präsidentin. Der geringste Mitgliedsbeitrag der Falken liegt bei fünf Euro im Monat. Ein Verkauf des Stadionnamens wurde in der Satzung verboten, auch wenn der junge Klub längst noch kein Arena-Eigentum gebildet hat.

Auf einer Fahne steht der Schriftzug »Falken kennen keine Grenzen«, doch auch Überflieger fangen ganz unten an. Im Sommer beginnt der Verein in der Kreisklasse, der niedersten Hamburger Liga, wo Gegner wie Standard Alu, FC Hamburger Berg oder die 4. Herren des FC St. Pauli warten. Sie freuen sich auf ungewohnten Zuschauerandrang, wenn die Falken ihr Gastspiel absolvieren. Denn das Interesse ist groß. Über 100 Leute drängten sich schon im Januar in einem kleinen Versammlungsraum, als Falkes Trainerteam vorgestellt wurde: Dirk Hellmann und Christopher Dobirr, die beide derzeit noch in der 6. Liga für den Wedeler TSV aktiv sind. »Eine bessere erste Station als Trainer kann es kaum geben«, sagt der 32-jährige Hellmann: »Hier lässt sich über mehrere Jahre etwas aufbauen. Da habe ich richtig Bock drauf.«

Mindestens vier Aufstiege sollen es schon sein. »Wir sind keine Thekentruppe, sondern wollen etwas erreichen«, erklärt Dwenger. Das mittelfristige Ziel ist die Oberliga Hamburg, in der bekannte Vereine wie Altona 93 vertreten sind. Ein gutes Dutzend Spieler hat der Verein dafür bereits verpflichtet, allesamt mit höherklassiger Erfahrung.

Nach dem Probetraining dürften einige Einladungen den Kader verbreitern. »Da sind richtig gute Jungs dabei«, bilanziert Coach Hellmann: »Aber ich freue mich auch sehr, dass Bewerber kamen, die seit Jahren nicht mehr im Verein gespielt haben und sich jetzt voller Elan zu uns aufgemacht haben.« Am Nachmittag des 11. April findet auf dem Sportplatz Ring 36 ein weiteres Probetraining für die Falken-Elf statt. Wenige Stunden später tritt der HSV in der Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg an.

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