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Jägerzaunfrei

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Einerseits kann die linksradikal-antifaschistische Traditionsband Egotronic (die es nun immerhin schon seit über zehn Jahren gibt), im Kern aus dem Springinsfeld Torsun Burkhardt bestehend, als so etwas wie das lebendige Gegenstück zum Musikantenstadl und ähnlichen öffentlichen Verunreinigungen betrachtet werden: aufrichtiges, energisches Dagegensein statt totaler Affirmation, der alte dissidente Geist des Punkrock statt volksgemeinschaftlichen Schunkelns, offensiver Hedonismus statt freimütig ausgestellter Leichenstarre, Kosmopolitismus statt Krähwinkel, Humor statt Jägerzaun.

Beigegeben sind Texte, die sich konsequent gegen alles richten, was den schnöseligen Schwachdenker mit dem völkischen Durchschnittskleinbürger und dem Neonazi im Geiste vereint: nationalen Chauvinismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, deutschen Arbeitsfetisch und Stolz auf die eigene Dummheit. Kaum eine andere Popband hat so viele Verdienste, was die eindeutige Stellungnahme gegen das deutsche Unwesen (»Raven gegen Deutschland«) oder den grassierenden geschichtsrevisionistischen Dauerbetrieb angeht (»Ten German Bombers«).

Mit den allgemein üblichen Hervorbringungen deutschsprachiger Popmusik haben Egotronic also nicht viel zu tun. Hier gibt es keine verschwiemelte Poesiealbumslyrik, kein ironiefreies Esoterikgelaber oder Herzschmerzgeleier und auch nicht den verkrampften Versuch, Suhrkamp- Kunst zu produzieren. Das ist immer erfreulich gewesen an Egotronic. Andererseits sind gewisse formale Gemeinsamkeiten mit der Musikantenstadl-Ästhetik nicht ganz zu verbergen: die Parolenhaftigkeit und das Plakative mancher Mitbrüllslogans etwa oder der Hang zum mitklatschkompatiblen rechtwinkligen Marschierbeat. Naja, egal.

Auf dem Cover des neuen Albums »C’est moi!« posiert Torsun, ausgestattet mit Lockenperücke und einem liebevoll mit einer Discokugel versehenen Regentenstab, als eine Art Karikatur des französischen Monarchen Ludwig XIV., während die anderen Bandmitglieder sich als Höflinge um ihn scharen. Und irgendwie passt das ja wunderbar. Auf Wikipedia ist über den »Sonnenkönig« zu lesen: »Die nationalistischen Deutschen stilisierten ihn zum Raubkönig, der Deutschland im Würgegriff gehalten habe (...) Andere hingegen sehen in ihm einen pflichtbewussten und umsichtigen Monarchen, der bereits Prinzipien der Aufklärung vorwegnahm.« Auf der Platte haben Egotronic eine ganze Reihe bewährter älterer Tracks zusammengestellt, allerdings in neuen Versionen: Die vormals simplen Zack- und Peng-Synthiebeats hat man zugunsten einer klassischen Punkrockbesetzung (Gitarre, Bass, Schlagzeug) getilgt, was beim Hörer das leise Unbehagen auslöst, dass es hier vorwärts in die musikalische Vergangenheit geht.

Egotronic: C’est moi! (Audiolith)

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